Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
und ein König, der
sich um nichts anderes schert, als nur König zu sein?
Die eigentliche Krönungsfeier begann pünktlich
und nahm mit militärischer Präzision ihren Fortgang.
Jeder tauchte zum richtigen Zeitpunkt am richtigen
Platz auf, und jeder kannte seinen Text. Furcht kann
ein großer Motivator sein. Die Menge jubelte und
klatschte an den richtigen Stellen. Dafür sorgten
schon die Wachleute. Joseph Wallace, inzwischen
neben seinem Amt als Vorsitzender des Komitees für
Materiewandlung auch offizielles Oberhaupt der Militanten Kirche, absolvierte die Rituale gründlich,
wenn auch ohne Charme. Mit Goldbesatz an seinem
Ornat und mit Gesichtsbemalung hatte er es völlig
übertrieben, aber niemand sagte etwas. Es war eine
etwas hastige Feier, von Finn und Anne schon im
Vorfeld auf die wesentlichen Punkte reduziert, und
sie verzichtete auf Owens traditionelle Warnung an
das Volk – wofür man den unstrittigen Grund anführen konnte, dass der Schrecken ohnehin schon über
sie gekommen war. Wallace krönte Finn schließlich,
und alle Welt jubelte. Die Fanatiker erzeugten natürlich den größten Lärm, begleitet von gewissen Abgeordneten, die hofften, der neue König möge es bemerken, aber letztlich waren die meisten Jubelrufe
sogar ernst gemeint. James war tot, Douglas in
Schande gestürzt und das Imperium brauchte schließlich einen König, also warum nicht Finn? Er machte
ja auch eine recht gute Figur dabei. Und ihm konnte
auch wirklich niemand vorwerfen, er wäre schwach
oder unentschlossen.
Die Schwebekameras der Nachrichtensender
übermittelten die Ereignisse live an sämtliche Planeten des Imperiums, und es wurde viel gejubelt. Nur
ferngesteuerte Kameras waren im Thronsaal zugelassen worden. Keine Reporter. Finn hatte nicht die Absicht, peinliche Fragen zu beantworten. Inzwischen
hatte er eine Menge Nachrichtenmedien direkt oder
indirekt in der Hand, aber man wusste trotzdem nie,
welche Fragen einem Reporter auf einmal in den
Sinn kamen. Ein paar hatten versucht, sich einzuschleichen, waren aber ausgesprochen gründlich hinausgeworfen worden. Alle außer der Reporterdämonin Nina Malapert, die als Gast des Paragons
Emma Stahl zugegen war. Nina kam damit durch,
weil absolut niemand das Risiko eingehen wollte,
Emma Stahl zu verärgern.
Weitere Paragone waren nicht zur Stelle, nicht
einmal Finns enger Freund Stuart Lennox von Virimonde. Paragone waren derzeit aus einer Vielzahl
von Gründen nicht beliebt, einschließlich dessen,
was gerade dem Clan Todtsteltzer auf Virimonde
widerfahren war.
König Finn erhob sich nun vom Thron, um seine
erste offizielle Rede zu halten. Anne hatte viel Arbeit
hineingesteckt, und Finn schaffte es, dass alles richtig schön spontan klang. Die Rede war kurz und
schmerzlos und bestand überwiegend aus vagen,
wenn auch nachdrücklichen Versprechungen besserer Zeiten für alle, ergänzt um die Ankündigung, dass
Douglas Feldglöck demnächst wegen Verrats,
Volksverhetzung, Mordes, Königs- und Brudermordes vor Gericht gestellt würde. Darüber wurde ein
wenig gebrummt, aber finstere Blicke der Wachleute
stellten rasch die Ruhe wieder her. Alle jubelten, als
die Rede zu Ende war; König Finn lächelte und
winkte und verschwand hinter den schwarzen Vorhängen. Alle gingen nach Hause. Eine offizielle Party fand nicht statt. Finn war kein Partymensch.
Tatsächlich galt Finns erster offizieller Besuch als
König seinem engen Freund, dem Paragon Stuart
Lennox. Finn hatte ihn offiziell eingeladen gehabt,
damit Stuart seinem neuen König aufwartete, aber
Stuart zeigte keine Neigung, dem Sendboten die
Tür zu öffnen, und hatte auch seine Kommleitung
abgeschaltet. Also machte sich Finn selbst auf den
Weg zu ihm. Jeder andere hätte nach einer solchen
Kränkung erlebt, wie man ihm die Tür eintrat und
ihn in Ketten vor den König schleppte, aber in diesem Fall ging Finn persönlich hin. Der alten Zeiten
wegen.
Stuart hatte eine nette Wohnung in einem netten
Stadtviertel. Finn traf dort inkognito ein, nur von einer Hand voll Wachleuten begleitet. Er klopfte höflich an Stuarts Tür und rief ihn beim Namen. Eine
lange Pause trat ein. Finn wartete geduldig. Schließlich ging die Tür einen Spalt weit auf, und Stuart
blickte heraus. Finn musste eingestehen, dass ihn die
Veränderungen an Stuart seit ihrer letzten Begegnung überraschten. Das Gesicht des jungen Paragons
war abgezehrt, die Augen rot und verquollen, und
rasiert hatte er sich
Weitere Kostenlose Bücher