Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
Ketten auf und lass mich auf
diese Mistkerle los.«
Nina schenkte ihm ein weiteres strahlendes Lächeln
und öffnete die Ketten mit dem Paragondietrich. Sie
musste Stuart stützen, als sie die Zelle verließen. Stuart hatte noch gar nicht richtig bemerkt, wie geschwächt er war. Der Aufnahmebereich vor der Zelle
sah ramponiert aus; ein toter Wachmann saß hinter
dem Schreibtisch, und ein weiterer lag davor auf dem
Boden. Nina führte Stuart rasch daran vorbei.
»Tut mir Leid, dass es hier so aussieht, aber sie
waren für vernünftige Argumente und ein Bestechungsangebot nicht so zugänglich, wie ich gehofft
halte. Meine Güte, du bist aber wirklich ganz schön
fertig, was, Süßer? Ich muss dich wohl erst mal wieder aufpäppeln, wenn ich dich hier hinausgeschafft
habe.«
»Wohin gehen wir?«, fragte Stuart und lauschte,
ob er nicht irgendwo Verstärkung anrücken hörte,
während er sich bückte und einem Wachmann die
Waffe abnahm.
»In den Slum«, antwortete Nina. »Emma hatte
dort für den Notfall einen Unterschlupf.«
»Machen es nicht alle so?«, fragte Stuart.
Und beide lachten leise, als sie das Gefängnis verließen und in einer gleichgültigen Stadt untertauchten, um ihre Rache zu planen.
Anne Barclay verfolgte James’ Begräbnisprozession
auf dem Büromonitor. Sie hatte sich überlegt, ob sie
persönlich teilnehmen sollte, sich aber in einer Menschenmenge noch nie wohl gefühlt. Leute machten
sie nervös. Von jeher zog sie es vor, sich die Welt
aus der Ferne, auf den Monitoren anzusehen. Das
verlieh ihr die Illusion, die sie brauchte: nämlich die
Vorgänge steuern zu können; und solange sie die
Welt auf eine Armeslänge Distanz hielt, fiel es der
Welt umso schwerer, ihr wehzutun. Wenn man der
Welt nahe kam, Leuten wie dem armen lieben Jamie
… Tränen stiegen ihr in die Augen, obwohl sie vor
lauter Weinen schon ganz verquollen und gereizt waren. James war der Einzige, der sich je wirklich etwas aus ihr gemacht hatte, und jetzt war er fort, und
sie war wieder allein.
Das Büro hatte einen neuen Teppich. Aus dem alten hatte niemand mehr die Blutflecken herausbekommen. Anne dachte nicht mehr an Emma Stahl.
Überhaupt nicht mehr. Sie schlief ausgezeichnet, sobald sie ein paar Schlaftabletten genommen hatte.
Jemand klopfte an die Tür. Anne überzeugte sich
auf dem entsprechenden Monitor sorgfältig davon,
wer das war, ehe sie öffnete und Finn einließ. Er sah,
was auf den Monitoren lief, und senkte sich lässig in
den Sessel neben ihrem.
»Na ja, wenn schon sonst nichts, so tritt er doch
wenigstens mit Stil ab. Nicht schlecht für ein paar
abgeschabte Zellen mit illusionären Vorstellungen
von eigener Größe. Seht Euch nur diese Bauerntölpel
an, wie sie das alles mit großen Augen fressen! Wie
sehr sie eine gute Show und gute Kullertränen lieben! Sie mögen ihre Helden immer viel lieber, wenn
diese erst mal tot sind. Immerhin hat James seinen
Zweck erfüllt. Er hat uns zum Sturz von Douglas
verholfen.«
»Was machen wir mit Douglas?«, fragte Anne und
betrachtete dabei weiter die Monitore.
»Ich denke nicht, dass wir ihn jetzt schon vor Gericht stellen sollen. Soll er noch eine Zeit lang in der
Halle der Verräter schmoren, während wir die öffentliche Entrüstung auf kleiner Flamme kochen, bis sie
so richtig hässlich geworden ist. Dann ein sehr öffentliches Verfahren, fast unmittelbar gefolgt von
einer sehr öffentlichen Hinrichtung. Eine langsame
Methode, die richtig Schweinerei anrichtet, denke
ich. Eine gute Show hilft den Leuten dabei, sich von
… anderen Dingen abzulenken. Vielleicht trete ich in
der Arena zu einem Duell auf Leben und Tod gegen
Douglas an! Ja, das gefällt mir. Endlich eine Chance
zu beweisen, dass ich der bessere Mann bin und immer war.«
»Warum hasst Ihr Douglas so sehr?«, fragte Anne.
»Er war mal Euer Freund. Ihr wart immer zusammen, Ihr, Douglas und Lewis. Ihr wirktet damals
recht zufrieden. Jetzt scheint es, dass in Euch kein
Platz mehr für etwas anderes ist als Hass. Warum,
Finn? Euch ist es doch anders ergangen als mir. Ihr
hattet immer, was Ihr wolltet.«
»Nein«, entgegnete Finn. »Ich hatte nie, was ich
mir wirklich wünschte. Ich war im Grunde niemals
ihr Freund. Wir waren nur Kollegen und hatten Dinge gemeinsam, die niemand sonst verstehen konnte.
Also hingen wir zusammen herum … aber ich habe
nur so getan als ob. Der größte Teil meines Lebens
war damals so. Und Freundschaft war ohnehin nicht
das, was
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