Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
P. G R V C E. G E T U O R C E P.
Dann wandte er den Krallencode nach Lizzies System an. Die Worte stachen ihm ins Herz.
Twitchtip. Erinnerungen an die Ratte zogen an seinem inneren Auge vorbei. Wie sie in der Arena die Nase im Moos vergraben hatte, weil ihr vom Geruch der Menschen übel wurde. Ihr verzweifelter Blick, als sie im Strudel trieb. Wie sie sich an seine Schwimmweste gekrallt und hervorgestoßen hatte: »Lass … nicht … los!« Und er hatte nicht losgelassen. Er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt, für eine ausgestoßene Ratte, um die sich niemand scherte. Und dann waren sie Freunde geworden, obwohl sie eine Ratte war und er ein Mensch. Twitchtip hatte als Erste gewusst, dass er ein Wüter war. Sie hatte Boots zu essen gegeben. Sie hatte sich durch den Irrgarten der Ratten geschleppt, um Gregor bei der Suche nach dem Fluch zu helfen, und dann hatte sie ihn und Ares weggeschickt. Sie hatte geglaubt, sie würde sterben. Aber sie war nicht gestorben, jedenfalls nicht gleich. Die Ratten hatten sie in eine Grube gesteckt, bestimmt hatten sie Twitchtip ausgehungert und gefoltert, damit sie ihnen etwas über Gregor verriet. Und schließlich, vor gar nicht langer Zeit, war sie von der Welt gegangen. Einsam wie eh und je.
Die Tränen, die jetzt auf die Worte tropften, kamen ganz überraschend, Gregor hatte so lange nicht geweint. Nicht wegen seiner Mutter oder Ares, wegen der Mäuse oder Thalia oder Luxa, nicht einmal wegen sich selbst, als er von der Prophezeiung erfahren hatte. Aber Twitchtip hatte so ein trauriges Leben gehabt. Erst war sie wegen ihres außergewöhnlichen Geruchssinns ins Land des Todes verbannt worden, hatte allein in der harten Welt dort gelebt, bis sie sich in ihrer Verzweiflung schließlichmit Ripred zusammengetan hatte. Und dann war sie im Irrgarten fast verblutet; nur nicht schnell genug, sie fiel den Ratten in die Hände, die sie hassten, erstens, weil sie eine Duftseherin war, zweitens und vor allem, weil sie Gregor geholfen hatte.
»Schon gut. Jetzt ist es gut.« Ripred hatte ihm über die Schulter geschaut und die Nachricht gelesen.
»Es ist überhaupt nicht gut!« Gregor sprach mit schroffer Stimme, aber leise, denn er wollte die anderen nicht wecken, sie sollten ihn nicht so sehen. »Ich hätte zurückgehen und sie suchen sollen.«
»Wir dachten, sie wäre tot«, sagte Ripred.
»Aber wir wussten es nicht. Sie haben sie die ganze Zeit gefangen gehalten. Und wir konnten uns nie sicher sein«, sagte Gregor. Er dachte an seinen Vater, der jahrelang in einer Grube bei den Ratten vegetiert hatte, bis Gregor ihn fand. Ob Twitchtip in derselben Grube gestorben war?
»Selbst wenn wir es gewusst hätten, wäre es so gut wie unmöglich gewesen, sie da rauszuholen«, sagte Ripred. »Es ist unwahrscheinlich, dass …«
»Halt doch die Klappe, Ripred! Was kümmert es dich überhaupt? Du konntest sie ja sowieso nicht leiden! Du hast sie behandelt wie den letzten Dreck. Du hast dich aus reinem Eigennutz mit ihr verbündet, damit ich für dich den Fluch töten konnte. Tu jetzt nicht so, als ob … als ob dir irgendwas an ihr gelegen hätte!« Jetzt hatte Gregor nicht leise gesprochen. Fast alle waren aufgewacht, erschrocken über seinen Ausbruch. Sie hatten Angst, die Ratten hätten den Palast gestürmt. »Halt die Klappe!«
Gregor stürmte in die Menschenkammer und zog den Vorhang mit einem Ruck hinter sich zu. Er warf sich aufs Bett und weinte. Er wusste, dass er nicht nur wegen Twitchtip weinte, sondern wegen all des Schrecklichen, das passiert war, und dem, was ihn in den nächsten Stunden erwartete. Eine Hand, vermutlich Lizzies, berührte zögernd den Vorhang. »Lass mich in Ruhe!« Das Weinen riss ihm schmerzhaft in den Rippen, aber es dauerte lange, bis er sich ausgeweint hatte. Dann lag er einfach auf dem Bett und schaute zu dem flackernden Schein einer Öllampe an der Wand. Es war wieder ruhig, die anderen waren wohl alle wieder eingeschlafen.
Jetzt kamen Schritte näher. »Wo ist Gregor?«, fragte Howard mit matter Stimme.
»Da drin«, sagte Luxa. Sie war also gar nicht wieder ins Bett gegangen. Sie wartete auf ihn. »Wir haben Nachricht von Twitchtips Tod erhalten. Sie war bis vor Kurzem in einer Grube gefangen. Es hat ihn sehr mitgenommen.«
Einen Augenblick blieb es still. »So sollte es uns allen gehen. Nur dass Gregor sich, anders als wir, nicht zu schämen braucht«, sagte Howard. Auch er hatte keinen Versuch unternommen, Twitchtip aus dem Strudel zu retten,
Weitere Kostenlose Bücher