Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
ließ sie den Schlüssel in ihrer Rocktasche verschwinden. Sie hatte weder für Essen noch für Schlafgelegenheiten gesorgt, aber an der Wand waren neue Fackeln befestigt.
»Wieso wollte Ripred, dass wir hier reingehen?«, fragte Gregor Nerissa.
»Es ist einer der wenigen Räume im Palast, die eine Tür haben. Hier sind wir ein wenig geschützt«, sagte Nerissa.
»Ein wenig«, sagte Gregor. Aber nicht allzu sehr. Die Tür bestand aus dickem Holz. Es würde zwar eine Weile dauern, doch die Ratten könnten sie mit ihren Krallen zerstören. Gregor schätzte, dass die Wühler keine Minute dafür brauchen würden. Immerhin wären sie dann gewarnt. Aber er fragte sich, was siedavon hätten. Wenn Gregor nicht ganz schnell wieder fit wurde, wer sollte sie dann verteidigen? Nerissa hatte bestimmt noch nie ein Schwert in der Hand gehabt. Hazard und Boots waren viel zu klein. Temp konnte und würde kämpfen, wenn es hart auf hart kam. Aber gegen Rattenkrieger konnte er nichts ausrichten.
Gregor beschloss, sich ganz auf seine Genesung zu konzentrieren. Howard sagte, er müsse sich ausruhen, also würde er das tun. Aus den Decken bauten sie Betten an den Wänden und Gregor legte sich hin. Wenn er sich nicht bewegte, war es mit dem Schmerzmittel, das Howard ihm gegeben hatte, ganz erträglich. Er zwang sich, nicht daran zu denken, was vor der Tür passierte, und schlief ein.
Stunden vergingen und wurden zu Tagen. Temp vertrieb Boots und Hazard die Zeit. Die drei unterhielten sich auf Krabblisch, während Gregor aß, Schmerzmittel nahm und schlief. Niemand schaute vorbei. Hin und wieder hörten sie schnelle Schritte im Flur und unverständliche Rufe. Sonst nichts. Als es Gregors Rücken besser ging, wurde er immer neugieriger auf das Geschehen im Palast. Hatten die Ratten angegriffen? Waren die Menschen gewappnet? Warum hatte niemand sie auf dem Laufenden gehalten? Er schlug vor, die Tür zu öffnen und zu fragen, was los sei, aber Nerissa war strikt dagegen.
»Dies ist nicht deine Schlacht, Gregor«, sagte sie. »Deine Aufgabe ist es jetzt, zu warten.«
Warten fiel ihm viel schwerer als kämpfen. Nerissa versuchte ihn abzulenken, indem sie ihm verschiedene Prophezeiungen zeigte und ihm ihre Geschichte erzählte. Er lernte eine Mengeüber die Vergangenheit Regalias, aber nur wenig über die Gegenwart. »Komm schon, Nerissa, ein kurzer Blick kann doch nicht schaden!«, bat er.
»Schau dir dieses Gedicht an, Gregor«, sagte Nerissa. »Es ist mir mit Abstand das liebste. Wenn alles verloren scheint, tröste ich mich mit diesen Worten.«
Gregor seufzte und wandte den Blick zu einem kleinen Gedicht an der Wand in der Ecke, wo Nerissa für gewöhnlich hockte.
Auf leisen Sohlen, unerkannt
Todesmutig, einst verbannt
Tot geglaubt, jetzt wieder hier
Mit einem X im Gesicht als Zier
Zwei Linien, die sich finden
Und endlich uns verbinden .
»Das tröstet dich? Wieso das denn?«, fragte Gregor. Für ihn war es nur noch mehr Quatsch von Sandwich, von dem er inzwischen überhaupt nicht mehr viel hielt.
»Sahst du den Titel?«, fragte Nerissa.
Erst jetzt bemerkte Gregor die Zeile über dem Gedicht. Da stand:
Der Friedensstifter
Perfekt, der Friedensstifter, dachte Gregor. Was wusste Sandwich, der die Wühler auf dem Gewissen hatte, schon von Frieden? »Dann glaubst du also, dass ein Friedensstifter kommen wird? Wann?«, fragte Gregor.
»Das weiß niemand. Vielleicht morgen, vielleicht in tausend Jahren. Doch der Friedensstifter wird kommen. Genau wie der Krieger kam«, sagte Nerissa.
Irgendetwas klingelte bei Gregor. Der Friedensstifter. Das hatte er schon mal gehört. Aber wann? Da fiel es ihm ein. Vor langer Zeit, als er zum zweiten Mal in Regalia angekommen war, war er eines Nachts im Palast herumgelaufen und hatte eine Auseinandersetzung zwischen Solovet und Vikus mit angehört, in der es darum ging, ob Gregor an den Waffen ausgebildet werden sollte oder nicht. Solovet wollte ihn natürlich sofort bewaffnen. »Und schließlich wird Gregor in der Prophezeiung ›der Krieger‹ genannt. Nicht ›der Friedensstifter‹«, hatte sie gesagt.
»Tja, Nerissa, ich bin es nicht. Und ich werde nicht mehr da sein, wenn er auftaucht, wer auch immer es sein mag. Aber ich hoffe, er kommt«, sagte Gregor. »Können wir jetzt die Tür aufmachen?«
Nerissa schüttelte den Kopf. Er konnte ihr den Schlüssel nicht mit Gewalt abnehmen. Das heißt, er hätte es wahrscheinlich gekonnt, aber das wollte er nicht. Vielleicht konnte er ihr den
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