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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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kurzentschlossenen Einstieg am Neuen Markt erzielt hatte, um mich sodann fassungslos zu fragen, warum ich nicht auch mit beiden Beinen in diesen Markt gesprungen sei. Manch einer sah sich auf dem Papier bereits als hochvermögender Aktionär. Kein Wunder, dass fachunkundige Politiker aller Parteischattierungen gierig auf diese vermeintlich fetten Pfründe starrten und überlegten, wie sie durch eine neue Steuergesetzgebung an dieses schnell erworbene Vermögen ihrer Steuerbürger kommen könnten.
    Mehrmals versuchte ich in der Telebörse , diese Kurseuphorie zu dämpfen, doch meine Hinweise auf die tatsächlich vorhandenen Krisenherde dieser Welt und die diffusen Steuerpläne einer möglichen rot-grünen Regierung wurden immer häufiger von Anrufern als leeres Gerede über eine vorgeblich nahende Weltkatastrophe abgetan. Dies war für mich eine ungewohnte Rolle, in der ich mich äußerst unwohl fühlte.
    Als Pessimist wäre ich wirklich eine grandiose Fehlbesetzung gewesen. Nach wie vor war für mich die Aktienanlage die beste Möglichkeit, ein privates Vermögen aufzubauen, erst recht in Deutschland mit seiner sehr wahrscheinlich zum Scheitern verurteilten gesetzlichen Rentenversicherung, das auch eine neue rot-grün bestimmte Bundesregierung nicht würde verhindern können.
    Dennoch: Spätestens im Mai 1998 schien mir die deutsche Börse völlig überhitzt zu sein, wäre aus meiner Sicht eine Pause beim DAX zum Jahresende ratsam und für eine stetige Fortsetzung der Aufwärtsbewegung auch hilfreich gewesen.
    Die Anleger aber folgten in der Mehrheit einer anderen Überlegung. Große institutionelle wie private Anleger schauten nur noch |220| auf die niedrigen Zinsen und die nicht zu übersehende Liquiditätsschwemme und zogen daraus den einzigen Schluss: Kaufen!
    »Was sollen wir machen«, klagte mir ein Manager eines Publikumfonds, »wir werden überschüttet mit dem Geld unserer Anleger und müssen deshalb kaufen, auch wenn wir die Börse für absolut überkauft halten.« Ein Umstand, der es den Managern großer Publikumsfonds generell erschwert, sich antizyklisch zu verhalten. Wollen die Anleger alle rein in die Aktien, müssen die Fondsstrategen dem Wunsch der Kunden folgen, auch wenn sie dadurch zusätzliches Öl ins Feuer schütten. Sinken dagegen die Kurse, trennen sich viele Anleger von ihren Fondsanteilen, mit der Konsequenz, dass auch die Fonds verkaufen müssen, um die zurückfließenden Anteile auszahlen zu können, was dann zur Verstärkung des Abwärtstrends führt.
    Doch nicht alle Fondsmanager befinden sich grundsätzlich in dieser Zwangslage. Die Verwalter großer Spezialfonds haben es etwas leichter. Sie werden bei kurzfristigen Schwankungen nicht sofort mit ebenso kurzfristigen Reaktionen der Anteilseigner konfrontiert und können mit diesen in aller Ruhe über die künftige Strategie reden, was bei einem guten Ergebnis nicht schwerfallen dürfte.
    Ende Juni 1998 konnten viele Manager dieser Spezialfonds mit Stolz auf ein sensationelles Halbjahresergebnis verweisen. Wenn sie mit ihrem Portfolio ganz einfach nur dem DAX gefolgt waren, hatten sie zur Halbzeit bereits einen Gewinn von fast 50 Prozent in den Büchern. Aus den Gesprächen mit einzelnen Spezialfondsstrategen glaubte ich, hin und wieder die Absicht herauszuhören, diese Gewinne unmittelbar nach der Veröffentlichung der Halbjahresbilanz zum 30. Juni für das ganze Jahr sichern, also verkaufen zu wollen. Bis zum Jahresschluss werde man den Verkaufserlös in aller Ruhe am Geldmarkt bei geringen, aber garantierten Renditen parken. Ab Dezember werde dann die Strategie fürs neue Jahr festgelegt und auch schon teilweise umgesetzt, wobei es wegen der Umstellung auf den Euro zum 1. Januar 1999 bis zum Ende des Jahres diesmal wohl nur ein flaues Geschäft geben werde, weil die Kreditinstitute mit ihren Mitarbeitern bis zum 4. Januar 1999, dem ersten Börsentag mit der neuen Euro-Notierung, alle Hände voll damit zu tun haben würden, die innerbetriebliche Organisation auf diesen Tag |221| vorzubereiten. Ein umfangreiches Kundengeschäft werde dabei nur stören.
    Die Rückschlüsse aus diesen Hinweisen waren ganz einfach: Bis zur Jahreshälfte würden vor allem Spezialfonds, aber auch große Publikumsfonds, die zur Jahresmitte bilanzieren, alles tun, um den DAX in seinem Erfolgsrausch nicht zu verschrecken, also kaufen. Schließlich will man ja den Anteilseignern einen stolzen Gewinn vorweisen. Klappern gehört zum Handwerk, auch im gar nicht

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