Greife nie in ein fallendes Messer
einem Ballon aufgeblasen |265| , wie ihn die Welt seit der verhängnisvollen Hightech-Euphorie nicht mehr gesehen hatte. Nicht nur das US-Wirtschaftswachstum sondern auch die allgemeine Inflationsrate war auf rund 4 Prozent gestiegen. Alan Greenspan musste sich von immer mehr Wirtschaftswissenschaftlern Vorhaltungen machen lassen: Er sei nicht nur für die grassierende Inflation bei den Vermögenswerten Aktien und Immobilien verantwortlich, sondern müsse sich auch eine Mitschuld beim beschleunigten Anstieg der Verbraucherpreise ankreiden lassen. Schließlich habe er mit seinen extremen Zinssenkungen zwar die Konjunktur angeschoben, doch damit zugleich leider auch die Inflationsglut angefacht. Als Chef der US-Notenbank sei er aber nicht nur allein für die amerikanische Konjunktur zuständig, selbst wenn das viele Amerikaner glaubten. Auch die Wahrung der Preisstabilität zähle zu seiner Arbeitsplatzbeschreibung. Viel zu spät habe er seine Politik des billigen Geldes gestoppt und auf Zinserhöhung umgeschaltet.
Der Topf musste also sofort vom Feuer, sollte nicht die ganze Küche in die Luft fliegen. Vierzehn Zinserhöhungen in rascher Folge seit Juni 2004 von 1 Prozent auf 4,5 Prozent belegten, wie sehr Greenspan die Inflationsgefahren erschreckten, die vor allem von den Immobilienspekulationen ausgingen.
Doch die mahnenden Hinweise auf diese radikal veränderte Zinspolitik der US-Notenbank wurden an den Finanzmärkten mit leichter Hand vom Tisch gewischt. Zu lange hatte Greenspan mit der Korrektur seiner Politik des billigen Geldes gewartet. Die Zinsen waren zwar wieder gestiegen, das war richtig, aber von ihrem niedrigsten Niveau seit 45 Jahren. Auf dem gegenwärtigen Stand seien die Zinsen noch keine Belastung für die Konjunktur. Ändern werde sich die Lage nur, wenn die Inflation weltweit zunehme und die US-Notenbank die Zinslatte auf mehr als 5 Prozent lege.
Da aber ein alarmierender Anstieg der Verbraucherpreise – Energie und Nahrungsmittel einmal ausgeklammert – angesichts der billigen Asienimporte für unwahrscheinlich erachtet wurde, zeigten sich die Bankanalysten von Greenspans neuerlichem Sinneswandel nur wenig beeindruckt. Schließlich hatte dieser in den Jahren zuvor den Finanzmärkten bei schmerzlichen Verlusten immer wieder mit |266| Zinssenkungen aus der Patsche geholfen. Selbst der bevorstehende Stabwechsel von Greenspan zu Ben Bernanke konnte niemanden an der Wall Street beunruhigen. Die Notenbank wurde von der Wall Street längst als rotierender Wegweiser belächelt. Man nahm ihre Warnungen nicht ernst.
Das war ein Fehler, wie sich sehr bald herausstellen sollte.
Ben Bernanke hatte sich schon als Professor an der Eliteuniversität Princeton im US-Bundesstaat New Jersey als wortgewaltiger Verfechter der Stabilität einen Namen gemacht. Gleich auf seiner ersten Sitzung als neuer Notenbankchef bewies er den Finanzmärkten, dass er gewillt war, Greenspans Vorgaben zu folgen. Ende März 2006 hob Bernanke im fünfzehnten Aufwärtsschritt in Folge den amerikanischen Leitzins auf 4,75 Prozent an. Als Paukenschlag kam seine Andeutung hinterher, im Mai die Zinsen weiter erhöhen zu wollen.
Spätestens jetzt hatten die Marktteilnehmer begriffen, was die Stunde geschlagen hatte. Die Währungshüter waren wild entschlossen, die Immobilienblase anzustechen, selbst auf die Gefahr hin, der Konjunktur einen empfindlichen Dämpfer zu versetzen.
Ein wenig mulmig war uns in Deutschland schon, zumal sich der neue US-Notenbankchef mit der erklärten Absicht, der Stabilität in den USA grundsätzlich eine höhere Bedeutung einzuräumen, offensichtlich um einen Schulterschluss mit der Europäischen Zentralbank in Frankfurt bemühte. Die europäischen Notenbanker hatten im Dezember 2005 ebenfalls damit begonnen, angesichts wachsender Inflationsgefahren in der Eurozone die Leitzinsen in kleinen Schritten von 2 Prozent in Richtung 3 Prozent hochzuschleusen. Die EZB ist, anders als die US-Notenbank, grundsätzlich nur für die Stabilität des Euro verantwortlich und nicht auch noch für eine florierende Konjunktur. So sieht sie in einer dauerhaften Preissteigerung von mehr als 2 Prozent eine Gefährdung der Stabilität, die durch eine angemessene Straffung der Geldpolitik bekämpft werden muss.
Würde der neue Chef der US-Notenbank ein derartiges, streng definiertes Inflationsziel als Parameter einer künftigen US-Notenbankpolitik einführen, stünden der amerikanischen Wirtschaft zweifellos stürmische
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