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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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ebenfalls keinen Abbruch, schließlich lägen die Leitzinsen der Eurozone immer noch auf einem erfreulich niedrigen Niveau. Vorausgesetzt, es bleibe bei diesem Einzelschritt der EZB. |271| Jetzt seien die Politiker aufgerufen. Sie müssten mit einer stringenten Reformpolitik die richtigen Duftmarken setzen, um die europäischen Notenbanker zu besänftigen.
    Ich schloss mich dieser optimistischen Sicht an, stieß aber bei meinen Vorträgen in Deutschland und Österreich mit meiner Zuversicht deutschen Standardtiteln gegenüber auf taube Ohren. Und das würde auch so bleiben, prophezeiten mir Makler und Händler bei gelegentlichen Besuchen auf dem Frankfurter Börsenparkett, wenn die deutschen Anleger das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft nicht wiederfänden. Es reiche eben nicht aus, nur auf die Gewinne der deutschen Großkonzerne zu verweisen und über deren niedrige Aktienkurse den Kopf zu schütteln. Wir bräuchten in Deutschland dringend vertrauensbildende Maßnahmen vonseiten der Politiker, die mit ängstlichem Blick auf potenzielle Wähler in jedem Unternehmer, der Arbeitsplätze ins Ausland verlagerte, sofort einen Vaterlandsverräter witterten. Auch vonseiten der Unternehmer selber, die mit ihrer Personalpolitik nicht immer ihrer Bedeutung im gesellschaftspolitischen Umfeld gerecht würden. Das galt aber auch für die Medien, die bisweilen ihre Börsenberichterstattung als Jagd auf Quoten oder Auflagen verstanden.
     
    Es mag aus der Sicht der Boulevardpresse und der leichten Unterhaltungsbranche nicht so spektakulär sein, aber für den seriösen Wirtschaftsjournalismus ist es trotzdem sinnvoll und aller Mühen wert, unverdrossen für die Aktie als Instrument einer breiten Vermögensbildung zu kämpfen – nicht mit Schlagzeilen und Hurrageschrei über Kursgewinne, sondern anhand der Vermittlung von Hintergrundwissen über die Abläufe an den Finanzmärkten. Damit kann man gar nicht früh genug anfangen. Warum nicht schon in den Schulen? Aber bitte nicht nur mit Börsenspielen, bei denen es ausschließlich darum geht, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Aktienbesitz bedeutet schließlich nicht nur Vermögensvermehrung, sondern auch Teilhabe an der Wirtschaft. Über die Aktie ist auch ein Mehr an Demokratie zu erreichen.
    Vielleicht war ja jetzt, fünf Jahre nach dem Ende der ausschweifenden Jubelfeiern am Neuen Markt, der Boden für einen erneuten |272| Versuch in dieser Richtung bereitet. So meine Hoffnungen. Doch weit gefehlt. In den folgenden Monaten drängten sich wie in vergangenen Zeiten die großen internationalen Anleger an der Garderobe, um dort ihre Vernunft abzugeben. Diesen Eindruck musste jeder gewinnen, der die Rekordjagd der Aktien in den USA, in Europa oder in den asiatischen und südamerikanischen Schwellenländern mit den wirtschaftlichen und politischen Rahmendaten abglich.
    Der Atomwaffenkonflikt mit Nordkorea und dem Iran. Die Möglichkeit eines Bürgerkriegs im Irak. Die aggressive Wirtschaftsoffensive der Chinesen, die mit billionenschweren Devisenreserven im Rücken die gesamte Weltwirtschaft aus den Angeln zu heben drohten. Die indischen Milliardäre, die sich anschickten, westliche Industriekonzerne wie Briefmarkensammlungen aufzukaufen und die Arbeitsplätze nach Asien zu verlagern. All das brachte Wirtschafts- und Sozialpolitiker in Deutschland um den Schlaf, doch den Aktienmärkten war es egal, das ging sie nichts an, genauso wenig wie die Zinspolitik der US-Notenbank, die die Leitzinsen inzwischen in 17 Schritten von 1 Prozent auf 5,25 Prozent angehoben hatte. Zwar waren die Wachstumsraten der US-Wirtschaft in den ersten Quartalen 2006 deutlich gefallen, die Immobilienpreise etwa im sonnigen Florida um 40 Prozent eingebrochen. Auch die Bauindustrie und die Heimwerkermärkte spürten die gestiegenen US-Zinsen in ihren Auftragsbüchern und den Kassen. Das Vertrauen der Verbraucher drohte zu kippen – kein Wunder, denn durch die Einbrüche am Immobilienmarkt wurde allmählich das Geld in ihren Portemonnaies knapp. Die Warnzeichen an der Wand waren also nicht zu übersehen. Aber für die Aktienmärkte war all dies kein Grund, in die Jammerharfe zu greifen. Im Gegenteil. Je schlechter die Nachrichten von der Wirtschaftsfront, desto eher würde die Notenbank wieder Gas geben und die Zinsen senken.
    Zudem schwammen die internationalen Finanzmärkte im Geld. Onkel Dagobert schlug den Takt, überall auf der Welt, trotz der verzweifelten Bremsversuche Ben Bernankes. So leicht

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