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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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und Myron Scholes, die gerade für die Entwicklung einer mathematischen Methode geehrt worden waren, mit deren Hilfe der »faire« Optionspreis berechnet werden kann.
    Wen wunderte es da noch, dass mit diesen Experten für Risikomanagement im Rücken der Hedgefonds Jahr für Jahr seinen Anteilseignern großartige Erfolge von bis zu 40 Prozent einbrachte. Banken, Broker, staatliche Institutionen, die Crème der privaten Hochfinanz, sie alle vertrauten Meriwether ihr Geld an – und kassierten fürstlich. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges, Anfang 1998, hatte der Fonds ein Anlagevolumen von 200 Milliarden US-Dollar erreicht. Und das mit einem Eigenkapital von nur knapp 5 Milliarden US-Dollar! Aber |134| offensichtlich hatte kein Kreditinstitut auf dieser Welt an diesem Riesenrad und dem relativ geringen Eigenkapital Anstoß genommen. Als »Meister des Universums«, begleitet von den besten Finanzmarktexperten, mit dem Nachweis andauernder Erfolge, wer wollte ihm da schon einen Kreditwunsch abschlagen! Überall sang man, trunken vor Glück, das hohe Lied vom Finanzgenie Meriwether.
    Seine Rezeptur für die jahrelangen Gewinne dieses Hedgefonds war im Grunde ganz einfach. Mithilfe raffiniert konstruierter Programme prüften Meriwethers Computer Tausende von Anleihen, Aktien und Währungen weltweit, erfassten die aktuellen Kurse, ermittelten daraus die Differenzen untereinander und verglichen diese Unterschiede mit den historischen Daten. Zeigten sich irgendwo auffällige Abweichungen in den Differenzen, die nach den vorliegenden Daten aber nicht gerechtfertigt waren, schlug der Fonds zu.
    So hatten die Computer beispielsweise zu Beginn des Jahres 1998 errechnet, dass die Zinsen von Anleihen aus den sogenannten Schwellenländern, gemessen an ihren Risiken, zu hoch waren, wenn man sie mit den Zinsen risikoarmer amerikanischer Staatspapiere verglich. Die Differenz musste sich nach Meinung der LTCM-Computer allmählich verringern. Mit anderen Worten, die Kurse der riskanten Anleihen würden wohl bald steigen, die Zinsen also fallen, während die Kurse der sicheren amerikanischen Treasuries sinken, die Zinsen folglich steigen würden. Konsequent investierte der Hedgefonds sein Geld in hochverzinsliche Risikoanleihen aus den Schwellenländern und verkaufte gleichzeitig auf Termin amerikanische Anleihen, er ging »short«. Die kassierte Prämie aus dem Terminverkauf war aus der Sicht der Computerprogramme leicht verdientes Geld, da bei diesen völlig normalen, eher langweiligen amerikanischen Treasuries heftige Kursschwankungen kaum zu befürchten waren.
    Ähnliche Überlegungen gab es offensichtlich zu den Kursen deutscher und italienischer Anleihen. Angesichts des kommenden Euro waren die italienischen Zinsen, verglichen mit den deutschen, aus der Sicht der Computer zu hoch. Mit dem Näherrücken des Euro würden die Kurse italienischer Anleihen sich sehr wahrscheinlich den deutschen Kursen annähern, die Renditen sich also verringern, während im Vergleich damit die deutschen Anleihenkurse leicht sinken |135| , die Renditen also steigen müssten, um sich zum Start des Euro ungefähr auf einem Zinsniveau mit den italienischen Anleihen zu treffen. Nach gewohnter Strategie hatte daher der Fonds, so die Vermutungen meiner Gesprächspartner, italienische Anleihen gekauft und deutsche Anleihen am Terminmarkt verkauft. Genaues konnten wir nachträglich natürlich auch nicht erfahren, da auch nach dem Unfall die exakten Strategien und ihre Umsetzung Geschäftsgeheimnis blieben. Verständlich, denn der Fonds wollte ja schließlich überleben und seine Geschäfte weiterführen – mit Aussicht auf überraschende Gewinne, falls sich die Finanzmärkte wieder in die vorausberechnete Richtung zurückdrehen würden.
    Im Grunde stellte diese Strategie keine besonders ausgefallene Konstruktion dar. Wohl jeder Teilnehmer auf den internationalen Finanzmärkten setzte Anfang 1998 auf steigende Zinsen in Amerika und Deutschland, zumindest aber auf gleichbleibende Zinsen und umgekehrt auf langfristig sinkende Zinsen in den Schwellenländern oder in den Hochzinsländern des kommenden Eurolandes. Das Risiko des Scheiterns war also gering. Und damit waren auch die Chancen nicht übermäßig hoch. Um trotzdem einen erklecklichen Profit einstreichen zu können, musste der Hedgefonds mit Krediten in ganz großem Umfang einsteigen, das heißt, ein Riesenrad drehen.
    Doch leider hatten die Mathematik-Genies des LTCM in ihrem Programm einen Punkt

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