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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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in diese Richtung deuteten, wurden auch später nicht bestätigt.
    Die Strafe der Züricher Börse für das Desaster folgte auf dem Fuß. Sie war fürchterlich. Mit der Bekanntgabe der Verluste im Termingeschäft verloren die Aktien der UBS innerhalb von nur zwei Tagen 25 Prozent ihres Wertes. Was zum Jahreshöchststand am 20. Juli noch 653 Schweizer Franken gekostet hatte, wurde Ende September nur noch bei 270 Schweizer Franken gehandelt. Kein Beobachter der Zürcher Börse hat sich jemals an einen derartigen Einbruch erinnern können (vgl. Abbildung 4).
    Die Fassungslosigkeit der Anleger über diese leichtfertigen Spielereien ihrer Bank am Terminmarkt war an der Börse tagelang das große Gesprächsthema. Wie hatte es überhaupt dazu kommen können, dass sich ehrenwerte Schweizer Banken, bekannt für ihre Solidität und Vorsicht in Gelddingen, auf derartig hochriskante Geschäfte einließen und es diesen Hedgefonds mit ihren Millionenkrediten erst ermöglichten, ein Riesenrad am Terminmarkt zu drehen?
    Fragen, die nicht nur in der Schweiz laut wurden. In Frankfurt klopften wir in diesen Tagen argwöhnisch jede Bank und jede Versicherung auf ein mögliches Kreditengagement oder gar auf eine nennenswerte Beteiligung an einem dieser Hedgefonds ab. Jeder war verdächtig, hatten doch sogar staatliche oder halbstaatliche Institutionen wie die italienische Wechselbehörde Ufficio Italiano Cambi, die von der italienischen Notenbank kontrolliert wird, rund 250 Millionen US-Dollar, das heißt fast ein Prozent der gesamten Währungsreserven, diesem Risikofonds anvertraut.
    Die deutschen Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen schienen |132| mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Wer aber nicht umgehend eine Beteiligung an diesen Geschäften dementierte, geriet sofort unter Abgabedruck. Kein Wunder, dass die jeweiligen Pressestellen sich beeilten, literweise Öl auf die hochgehenden Wogen zu gießen, um so die Kurse ihrer Unternehmen vor einem deutlichen Verlust zu bewahren. Entweder war man gar nicht oder nur wenig betroffen, wie zum Beispiel die Dresdner Bank zugab, oder man hatte nur gesicherte Kredite gewährt. Dennoch hatte Long-Term Capital Management uns allen auf dem Frankfurter Parkett einen tiefen Schrecken eingejagt.
    Abbildung 4: Aktienkurs der Union Bank Schweiz (UBS), 1. 1. 1998 bis 30. 9. 1998, in Schweizer Franken
    Wie so häufig im Leben, kann man aber auch diesem Albtraum etwas Gutes abgewinnen. Nach dem Desaster mit LTCM wird wohl niemand mehr glauben, die Börsen seien vollkommen berechenbar, vorausgesetzt, man hat das richtige, das mathematisch perfekte Modell in seinem Computer. Der Glaube von der riesigen Chance bei beherrschbarem Risiko erwies sich in erschreckender Deutlichkeit als Trugschluss.
    Diese nun als irrig entlarvte Hoffnung hatte bei zahlreichen vermögenden Anlegern ein Mann erweckt, der in den vorangegangenen |133| zehn Jahren an der Wall Street als Legende gehandelt worden war, der Fondsmanager John Meriwether. Nach einem kurzen Gastspiel als Lehrer und wirtschaftswissenschaftlichem Studium an der Universität von Chicago, die er als Master of Business Administration verließ, startete Meriwether 1974 seine Karriere bei der US-Investmentbank Salomon Brothers. Umgeben von einem Stab junger Mathematiker und Physiker, führte er den Rentenhandel bei Salomon Brothers in ungeahnte Sphären. Mit seinen undurchschaubaren mathematischen Risikomodellen stellte er den Bondhandel an der Wall Street auf den Kopf. Zu Beginn ging schon mal ein Geschäft daneben, aber allmählich legten seine Erfolge einen Heiligenschein auf sein Haupt. Er wurde zur Lichtgestalt seiner Kollegen.
    Auch ein kleiner »Unfall« in seinem unmittelbaren beruflichen Umfeld konnte seinen Aufstieg zum »Master of the Universe« nicht stoppen. 1991 waren im Bondhandel von Salomon Brothers Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden. Als seine Vorgesetzten deswegen wenig später den Hut nehmen mussten, verließ auch Meriwether die Firma und baute 1994 zusammen mit einigen ehemaligen Mitarbeitern im vornehmen Greenwich/Connecticut den Hedgefonds Long-Term Capital Management auf. Es war und ist immer noch durchaus üblich, dass sich Hedgefonds mit großen Namen schmücken, um bei millionenschweren Anlegern Eindruck zu schinden, aber was der LTCM vorweisen konnte, das war schon allererste Sahne. Da standen auf der Liste der Partner David Mullins, früher Vice Chairman der US-Notenbank, oder die Nobelpreisträger Robert Merton

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