Greife nie in ein fallendes Messer
Kleinanleger durchrang. Single-Hedgefonds wurden als derart riskant eingeschätzt, dass für sie in der Öffentlichkeit nicht einmal geworben werden darf. Dach-Hedgefonds, die aber ihrerseits in Single-Hedgefonds investieren, wurden dagegen dem einfachen Privatanleger erlaubt, da man deren Gesamtrisiko für geringer erachtete. Aber immerhin müssen auch diese Dachfonds den Anleger auf das Risiko des Totalverlustes seines Kapitals hinweisen. Hedgefonds-Genuss mit möglicher Todesfolge! Wie bei Zigaretten. Vielleicht ein Grund, warum diese Anlageform in Deutschland bei den Kleinanlegern auf keine sonderliche Zustimmung stößt.
Als zwölf Jahre später in der Folge der amerikanischen Hypothekenkrise die umherfliegenden Trümmer gesprengter Hedgefonds die Börsen weltweit bedrohten, mag sich mancher Politiker an die |140| Schreckensvisionen des vormaligen Bundesbankpräsidenten Tietmeyer erinnert haben. In aller Eile – und offenbar ohne hinreichende Rückendeckung der europäischen Partner – beschloss das Bundeskabinett am 24. Oktober 2007 ein Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken. Zusammen mit dem geplanten Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen vom August desselben Jahres verfolgte das Risikobegrenzungsgesetz vor allem das Ziel, die international tätigen Hedgefonds zur Aufdeckung ihrer geheimen Strategien zu zwingen. Dass damit im Grunde jede Tätigkeit eines Hedgefonds von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre, passte wohl den meisten Berliner Politikern insgeheim ins Konzept. Doch vor allem die Briten sahen das ganz anders. Schließlich profitiert der Finanzplatz London in erheblichem Umfang von den Hedgefonds. Nur um einige gefräßige »Heuschrecken« zu vernichten, mochte man nicht die ganze Spezies der Hedgefonds gefährden. Wie nicht anders zu erwarten war, verläuft sich zurzeit die deutsche Initiative in langwierigen Anhörungsverfahren. Bis die gegenwärtige Krise ihren Schrecken verloren hat. Bis zur Wiedervorlage beim nächsten Hedgefonds-Desaster.
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Kapitel 7: Der Aktionär ist dumm und frech. Die Entdeckung des Shareholder Value
Alle schienen sich an jenem 4. November 1998 wirklich Mühe geben zu wollen, den angezählten Münchener Kämpen Siemens vor einem erneuten Niederschlag zu bewahren. Schon in den letzten Oktobertagen hatte die allgemeine Börseneuphorie in Frankfurt den renommierten Elektroriesen wieder auf die Beine gestellt. Bis auf unter 80 D-Mark war der Kurs der Siemens-Aktie zuvor abgerutscht, ehe die herbstliche Erholung ihn wieder auf über 110 D-Mark hob, aber immer noch fast 30 D-Mark weniger als nur drei Monate zuvor.
Doch an diesem Tag war die Stunde der Wahrheit angesagt, würde Siemens-Chef Heinrich von Pierer Rechenschaft ablegen müssen über das verkorkste Geschäftsjahr 1997/98, das am 30. September zu Ende gegangen war.
»Die Zahlen kommen wahrscheinlich erst zur Mittagszeit heraus«, orakelt ein Freimakler und wundert sich, warum der Kurs der Siemens-Aktie bereits seit 8:30 Uhr mit der Eröffnung des Präsenzhandels auf dem Parkett deutlich steigt. »Die Zahlen werden entsetzlich sein, das wissen wir doch alle, das abgelaufene Geschäftsjahr war mehr als schlecht.« Nein, die steigenden Kurse kann sich auch keiner der übrigen Börsianer erklären. »Siemens ist für die Anleger der große Reinfall der letzten Jahre, der Konzern hat zu wenig unternommen, um sich für die Börse herauszuputzen.« Die Enttäuschung über das einstige Paradepferd der deutschen Börse ist mit den Händen zu greifen. Aber wenn alles singt, kann selbst Siemens nicht alleine traurig in der Ecke stehen.
Angespornt von Zinssenkungsfantasien in Großbritannien, haben die asiatischen Börsen in den frühen Morgenstunden eine bessere |142| Stimmung gemeldet, zeigte sich der launische amerikanische Dollar von Beginn an wieder einmal von seiner guten Seite und ließ gegenüber der D-Mark ein wenig die Muskeln spielen. Zur Begeisterung deutscher Anleger, die bei einem Dollarstand von 1,67 D-Mark prompt die deutschen Exportwerte wie etwa Daimler favorisieren.
Aber weshalb werden die Siemens so stark gekauft? Immer schneller erscheinen neue Siemens-Notierungen auf dem Bildschirm des zuständigen Kursmaklers. Und alle gehen nur in eine Richtung: nach oben. Binnen weniger Minuten zieht der Kurs der Siemens-Aktie bei hohen Umsätzen um mehrere D-Mark an. Gegen Mittag verbucht die Aktie mit einem Kurs von 110 schon
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