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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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vorgegebenen, engen finanziellen Spielraum schrecken offenbar davor zurück, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten nur mit einzelnen Stücken am Aktienmarkt zu engagieren, zumal man auch bis vor einigen Jahren nur ab einer bestimmten Stückzahl am variablen Handel teilnehmen konnte und die Mindestgebühren der Kreditinstitute kleinere Aufträge relativ stärker belasten. Auch aus diesem Grund wurden in den 1990er Jahren die Aktien durch die Senkung ihrer Nennwerte und eine entsprechende Vervielfachung ihrer Stückzahl – beispielsweise von 50 D-Mark auf 5 D-Mark Nennwert – rein optisch verbilligt. Eine offenbar erfolgreiche Strategie der deutschen |165| Börse, denn allein diese veränderte Optik der Kurse erhöhte vor allem bei »schweren«, weil teuren Werten die Anzahl der einzelnen Umsätze.
    Ähnliche Erwartungen knüpften die Börsianer an die Einführung der Euro-Notiz zum Jahresbeginn 1999. Dadurch, dass die Notierung der Aktienkurse in D-Mark ab dem 4. Januar 1999 der Euro-Notierung wich, kam es grob gerechnet zu einer optischen Halbierung der Kurse.
    Im Zusammenhang mit der SAP-Aktie führten mich derartige Überlegungen aber nur noch tiefer in die Sackgasse.
     
    Als Mitte September 1989 die ersten Schätzungen über den Verlauf der Geschäfte im ersten Halbjahr 1989 durchsickerten, brach bei all denen Panik aus, die noch keine SAP-Aktien in ihrem Portfolio hatten. Der Ertrag sei um fast 50 Prozent gestiegen, hörte man auf dem Parkett, der Umsatz habe sogar noch deutlicher zugelegt. Und das nach einem Gewinnplus von mehr als 50 Prozent im Jahr zuvor! Für das Jahr 1989 würde, so die überwiegende Meinung all meiner Gesprächspartner, die Dividende deutlich erhöht werden. 20 statt 12,50 D-Mark hatten schon vorher die Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gefordert.
    Jetzt gab es kein Halten mehr, diese Aktie musste man haben, koste es, was es wolle. Und es kostete sehr viel Geld, für mich zu viel Geld. In Stuttgart stieg der Kurs auf 1 725 D-Mark. Dies bedeutete einen Kursgewinn von 975 D-Mark seit der Erstnotiz der Aktie am 4. November 1988 (vgl. dazu Abbildung 5). Ich nahm mir fest vor, die nächste günstige Gelegenheit zum Einstieg zu nutzen, aber doch bitte nicht zu diesem unglaublich hohen Kurs!
    Diese Gelegenheit zeichnete sich im April des folgenden Jahres ab, als im Zuge einer Kapitalerhöhung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschlossen wurde. Die Stammaktien blieben überwiegend im Bereich der SAP-Unternehmensführung. Auf diese Art und Weise wollte sich der Vorstand seine Entscheidungsfreiheit im Unternehmen sichern.
    Eine typisch deutsche Einstellung, die von ausländischen Anlegern nur ungern gesehen wird. Vorzugsaktien, die zwar zum Bezug |166| einer höheren Dividende berechtigen, auf der Hauptversammlung grundsätzlich aber kein Stimmrecht haben, sind an den internationalen Finanzmärkten die Ausnahme. Dagegen sind sie in Deutschland durchaus üblich, weil manche Unternehmer mithilfe ihrer eigenen Mehrheit bei den Stammaktien unbedingt Herr im eigenen Haus bleiben wollen. Das für das Unternehmen benötigte Kapital holt man sich über die Emission von Vorzugsaktien.
    Abbildung 5: Kurs der SAP-Stämme vom 1. 11. 1988 bis zum 31. 10. 1989
    Da aber an den deutschen Wertpapiermärkten in der Regel die ausländischen Anleger das Sagen haben, weil die Aktienanlage bei den Bundesbürgern eher ein Schattendasein fristet, fließt die Liquidität überwiegend in die Stammaktien, während die Gattung Vorzugsaktien zweiter Sieger wird. Allein aus diesem Grunde liegen die Kurse der Vorzugsaktien meistens deutlich abgeschlagen hinter denen der Stammaktien.
    Die SAP-Vorzugsaktie bildete seinerzeit die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel, da sie und nicht die SAP-Stammaktie zusammen mit 29 anderen deutschen Standardtiteln im großen DAX geführt wurde. Dadurch konzentrierte sich vor allem die Anlagestrategie |167| der institutionellen Anleger aus dem In- wie aus dem Ausland auf die Vorzugsaktie von SAP. Mit Blick auf Euroland konnte sich in diesem Fall aber bald eine Veränderung ergeben. Weil, wie gesagt, in unseren europäischen Nachbarländern die Vorzugsaktien keine besondere Rolle spielen, glaubten einige Börsianer an ein baldiges Ende der deutschen »Vorzüge«. An den Börsen in Euroland würde man sich vielleicht schon bald auf eine einzige Aktiengattung konzentrieren. Ein erstes Indiz für diese mögliche Entwicklung bot der Index Dow Jones Euro STOXX 50.

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