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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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gestiegen, das Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit um sage und schreibe 64 Prozent. Der Gewinn pro Aktie war 1991 auf 72 D-Mark gestiegen, im Jahr zuvor hatte er bei knapp 50 D-Mark gelegen. Für 1990 wurden auf die Stammaktien 15 D-Mark Dividende gezahlt, für die Vorzüge gab es zwei Mark mehr. 1991 werde es auf die Vorzugsaktien 20 D-Mark geben, zwei D-Mark weniger für die Stammaktien. Das Sahnehäubchen obendrauf war die Mitteilung, aus einer Erhöhung des Grundkapitals um 15 Millionen auf 100 Millionen D-Mark werde es im Verhältnis 17 zu 3 300 000 neue Vorzugsaktien geben, der Preis der neuen Aktie werde 1 000 D-Mark betragen.
     
    Jetzt, viel zu spät, warf ich all meine fundamentalen Bedenken über Bord. Wie viele Börsianer auch, machte ich mich jetzt auf die Suche nach Argumenten für SAP, um mein Engagement zu rechtfertigen. Dieses Unternehmen war das einzige börsennotierte EDV-Unternehmen in Deutschland, zudem noch mit einer Standardsoftware, die goldene Berge versprach. Denn das neue System R/3, das erst in der zweiten Jahreshälfte 1991 auf den Markt gekommen war, schien alle hochgespannten Hoffnungen zu erfüllen. Zwar hatte die Entwicklung dieser neuen Generation der SAP-Standardsoftware bisher rund 300 Millionen D-Mark gekostet, aber sie versprach, der Hit der Zukunft zu werden. Wer nicht so viel Geld besaß, um mit der richtigen Stückzahl bei SAP einsteigen zu können, dem blieb der Weg über den Terminmarkt. Die Calls auf SAP-Aktien wurden zum Selbstläufer.
    |170| Als die Bezugsbedingungen der neuen SAP-Vorzüge bekanntgegeben wurden, sprang der Kurs der Aktie auf 1 425 D-Mark. Man solle unbedingt das Bezugsrecht ausüben, empfahl die Bank für Gemeinwirtschaft.
    Unbedingt verkaufen, riet dagegen nur wenige Monate später das französische Kreditinstitut Paribas. Was war geschehen?
    Der SAP-Vorstandsvorsitzende Dietmar Hopp hatte für 1992 einen Konzerngewinn prophezeit, der mindestens auf dem Niveau von 1991 liegen werde. Für ein normales Unternehmen wäre dies bei der allgemeinen Konjunkturflaute in der westlichen Welt, verbunden mit einem schwachen US-Dollar, eine überaus positive Prognose gewesen. Nicht so für SAP! Die Einschätzung des SAP-Vorstands wirkte auf den Optimismus der Börsianer wie eine kalte Dusche.
    Die verwöhnten Analysten hatten für 1992 einen Konzernumsatz von mindestens 900 Millionen D-Mark erwartet, nach 707 Millionen im Vorjahr. Vorsichtshalber hatte der eine oder andere Analyst mit Blick auf das eher negative Umfeld seine Prognosen schon etwas nach unten korrigiert. Schließlich hatte das vierte Quartal 1992 darunter gelitten, dass offensichtlich viele Bestellungen für das Standardsoftwareprogramm R/2 gekippt worden waren. Offenbar waren einige große Kunden finanziell in schwere See geraten, andere wollten vielleicht die Erfahrungen mit der neuen Produktlinie R/3 abwarten. Welche Argumente auch immer die richtigen sein mochten, entscheidend blieb für die Börse, dass sich SAP selber von der spektakulären Dynamik der letzten Jahre verabschiedete. Im Vergleich mit dem Vorjahr überhaupt kein Wachstum? Das war eine riesengroße Enttäuschung.
    Jetzt bestätigte sich wieder die alte Erfahrung, dass enttäuschte Hoffnungen zu einer radikalen Kehrtwende an der Börse führen, selbst wenn die tatsächlichen Ergebnisse gar nicht so schlecht sind. In einer solchen Phase verliert die Börse auch jeden Mut, über den Tellerrand hinauszuschauen.
    Wer mit seinem SAP-Engagement noch vorne lag, also mit dem Papier Buchgewinne erzielt hatte, beeilte sich, zu verkaufen. Der Kurs der Vorzugsaktien verlor auf einen Schlag 12 Prozent und rutschte auf 1 270 D-Mark ab.
    |171| Als im Februar 1993 die tatsächlichen Zahlen beim Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit für 1992 einen Rückgang von mehr als 4 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahr belegten, verloren die Vorzugsaktien noch einmal fast 100 D-Mark. Sie wurden zu einem Kurs von nur noch 1 120 D-Mark angeboten. Doch kaum jemand wollte zu diesem Preis wieder einsteigen. Wir waren heilfroh, noch rechtzeitig unsere Schäfchen in die Scheuer getrieben zu haben. Die realisierten Gewinne waren beträchtlich gewesen, aber jetzt wollte man eher vorsichtig sein. Die weiter sinkenden Kurse gaben uns ja offensichtlich Recht. Dass die Umsätze im vierten Quartal 1992 vor allem wegen der gerade erfolgten Einführung des neuen Produkts R/3 gelitten hatten, im Grunde also als ein positives Signal für die

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