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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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angeschafft oder waren dabei, vom alten R/2 auf das neue R/3 umzusteigen. Größere Potenziale boten sich aber noch in den USA, die dort erzielten Gewinne würden allerdings unter der gegenwärtigen Schwäche des US-Dollar leiden. Die Verkaufserfolge hatten zudem eine erhebliche Aufstockung des Personals |176| zur Folge. Weltweit arbeiteten für SAP jetzt 5 044 Mitarbeiter. Die Personalkosten würden also in steigendem Umfang das Ergebnis belasten. Die WirtschaftsWoche aus Düsseldorf witterte gar in einer Titelgeschichte eine »Absturzgefahr« für den »Software-Star SAP« und sprach von Schwierigkeiten bei der Installation und dem Einsatz der Software. Gerüchte auf dem Parkett, wonach eine große deutsche Bank mit dem neuen R/3 nicht zufrieden sei, wurden mir gegenüber per Telefon von SAP selber eindeutig dementiert und tauchten später auch nicht mehr auf.
    Als dann im Februar Vorstandsmitglied Hans-Werner Hector, einer der vier Gründerväter des Unternehmens, mit 55 Jahren in den Aufsichtsrat wechselte, nahm die Unruhe auf dem Börsenparkett weiter zu. Wollte sich da einer der Verantwortlichen in Etappen ganz zurückziehen und Kasse machen? Würde er seinen erheblichen Anteil an den Stammaktien, immerhin waren es knapp 16 Prozent, verkaufen? Welche Auswirkungen hätte das auf die Kurse? Käme es mithilfe dieses Aktienpakets zu einer Übernahmeschlacht um das erfolgreiche Unternehmen? Stünde seine Unabhängigkeit auf dem Spiel? Aus meiner Sicht waren dies alles Signale für eine Gewinnmitnahme.
    Die Gerüchte um eine mögliche Nähe des Unternehmens zur äußerst umstrittenen amerikanischen Organisation Scientology brachten vorübergehend ebenfalls Unruhe in die Kurse, wurden aber von der Börse bald als unwahrscheinlich unter »Blödsinn« abgelegt, zumal sich die Unternehmensleitung in eindeutiger Schärfe gegen die Scientologen aussprach.
     
    Häufig müssen wir in der Telebörse Gerüchte zur Sprache bringen, selbst wenn man vom Unsinn dieser Gerüchte überzeugt ist. Als Reporter in einer Live-Sendung habe ich nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt eines Gerüchts, das plötzlich auf dem Parkett auftaucht, direkt vor Ort zu recherchieren. Dennoch muss es in der Sendung erwähnt werden, wenn es die Kurse auf dem Parkett beeinflusst, schließlich ist es die Aufgabe der Telebörse , das Auf und Ab der Kurse zu erklären. Die Zeitnot in dieser Live-Sendung, die die Parkettbörse während ihrer gesamten Handelszeit |177| begleitet, ist aber nicht so groß, dass nicht doch in konkreten Einzelfällen in den Pressestellen betroffener Unternehmen oder Organisationen Stellungnahmen eingeholt werden können, um sie dann in einer späteren Schaltung als Ergänzung, Bestätigung oder Korrektur einer früheren Meldung zu bringen.
    In den nächsten Monaten sollte ich noch häufig genug Gelegenheit und Grund haben, die Unternehmensführung von SAP um eine Stellungnahme zu bitten.
     
    Unabhängig von den jüngsten Geschichten um SAP trennte ich mich zum zweiten Mal von meinen Calls auf SAP-Aktien. Die Kurse waren nach meiner Meinung einfach zu lange nur in eine Richtung gelaufen, nach oben. Die alte Börsianerweisheit »The trend is your friend«, wonach man also Gewinne laufen lassen sollte, solange der Trend stimmt, warf ich leichten Herzens über Bord und freute mich unbändig über die erheblichen realisierten Gewinne. Die Freude währte wiederum nur kurze Zeit, denn die Aktienkurse liefen weiter, ich hatte meinem Freund, dem Börsentrend, den Rücken gekehrt und wurde nun jeden Tag mit der Nase auf diesen Fehler gestoßen.
    Täglich wurden jetzt an der Börse immer größere Stückzahlen von SAP-Aktien umgesetzt. Im Jahr 1994 waren es insgesamt mehr als 11 Millionen Vorzugsaktien. Der Umsatz bei den Stammaktien war mit 5,6 Millionen Stück deutlich geringer, weil die meisten Stammaktien direkt oder indirekt fest in den Händen der Firmengründer lagen. Inzwischen gehörten die SAP-Vorzugsaktien zu den umsatzstärksten Titeln an der deutschen Börse. Als die Schätzungen für das abgelaufene erste Quartal 1995 an der Börse durchsickerten, schien es kein Halten mehr zu geben. SAP-Aktien wurden wie seltene Briefmarken gehandelt. Um mehr als 100 Prozent, so hieß es, sei das Geschäftsergebnis wahrscheinlich gestiegen, der Auftragseingang sei sogar noch deutlicher gewachsen.
    Uns wurde schwindelig, der Unternehmensführung offensichtlich auch. SAP-Chef Hopp warnte eindringlich davor, das erste

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