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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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Dieser Index berücksichtigte die Aktien von 50 großen Unternehmen aus den elf europäischen Staaten, die bei der Geburt von Euroland dabei waren. Die SAP-Aktie, ein Schwergewicht des deutschen Aktienmarktes, fehlte auf dieser Liste, eben weil sie »nur« als Vorzugsaktie im DAX erfasst wurde.
    Weitsichtige Anleger setzten in Deutschland schon früh auf die »billigeren« Vorzugsaktien, in der Hoffnung, diese bald ohne größere Zuzahlung in »teurere« Stammaktien umwandeln zu können. Bei der SAP-Aktie müsste das Spielchen halt umgekehrt laufen. Da die Stammaktien unter den Vorzugsaktien notierten, sollte man unter diesem Gesichtspunkt auf die momentan noch billigere Stammaktie setzen. Zwar hatte die SAP-Führung offenbar nicht die Absicht, Stamm- und Vorzugsaktien zu einer Aktiengattung zusammenzulegen, aber was nicht ist, kann ja noch werden, hofften die Börsianer.
     
    Auf der Hauptversammlung am 15. Mai 1990 überschlugen sich die Aktionärsvertreter vor Begeisterung. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre schwärmte von einem Juwel in der deutschen Börsenlandschaft. Die neuen Vorzüge sollten zu einem Ausgabepreis von 1 050 D-Mark in den amtlichen Handel in Frankfurt und Stuttgart eingeführt werden. Bei einem geschätzten Umsatz- und Gewinnwachstum von jeweils 30 bis 40 Prozent in den Jahren 1990 und 1991 kamen einige Analysten auf ein KGV von knapp 16 bei den Vorzugsaktien. Dies schien mir schon eher ein Einstiegssignal zu sein. Der Vorstand von SAP legte noch ein wenig Kohlen nach: Angesichts der hohen Kurse der SAP-Aktien würden die Dividenden |168| kaum ausreichen, die jährliche Vermögensteuer zu zahlen, hieß es. Daraus schlossen wir alle für die Zukunft auf eine aktionärsfreundliche Dividendenpolitik, sprich: deutlich steigende Dividenden.
    Aber trotz aller Kaufempfehlungen meiner Gesprächspartner konnte ich mich immer noch nicht zum Einstieg entscheiden. 1 050 D-Mark für die SAP-Vorzugsaktie waren halt ein stolzer Preis.
    Nur wenige Wochen später wurde ich in meiner Skepsis bestätigt: Das Wunderkind der Börse geriet in heftige Turbulenzen. Die Umsätze schienen sich wie vorhergesagt zu entwickeln, aber beim Ergebnis drohte SAP aus der Puste zu geraten. Die Gründe waren schnell ausgemacht: Das verstärkte Engagement im Osten Deutschlands und im angrenzenden Osteuropa hatte im ersten Halbjahr 1990 mehr Geld gekostet, als die Analysten erwartet hatten. Das ungewöhnliche Umsatzwachstum allein rechtfertigte noch nicht die hohen Kurse der Aktien. Die atemberaubenden Kursgewinne, die die Stammaktien bis auf 2 000 D-Mark und die Vorzüge auf fast 1 400 D-Mark getrieben hatten, schlugen jäh um in deutliche Kursverluste. Innerhalb weniger Tage brachen die Kurse ein. Wer noch vorne lag, wollte unbedingt seine erheblichen Gewinne retten und verkaufte. Ende August hatten die SAP-Aktien bereits bis zu 10 Prozent und mehr verloren.
     
    War das jetzt für mich die erhoffte Gelegenheit, endlich einzusteigen? Natürlich nicht! Zwar waren die Vorzüge im Vergleich mit den Stammaktien stärker gefallen und entsprachen mit ihrem KGV von 14 ungefähr dem Marktdurchschnitt, aber die Begeisterung für den Softwareproduzenten aus Walldorf hatte sich merklich abgekühlt. Die Personalkosten würden schon wegen der Aktivitäten in den neuen Bundesländern mit der steigenden Zahl der Mitarbeiter stärker als erwartet zu Buche schlagen, die Entwicklung einer neuen Software-Produktlinie würde einen Großteil der Umsatzerlöse binden, irgendwann würde man auch kleinere und mittelständische Unternehmen in seine Kundenkartei aufnehmen müssen, mit entsprechenden Konsequenzen beim kostenintensiven Service. Und das alles in einer extrem turbulenten Zeit für die gesamte Softwarebranche. Die Zahl der Bedenkenträger stieg von Tag zu Tag. In der Suche nach |169| Gründen dafür, bei SAP nicht einzusteigen, waren wir kaum noch zu übertreffen.
    1991 fielen die SAP-Vorzüge mit einem Tiefstkurs von 770 D-Mark um 280 D-Mark unter ihren Einführungspreis aus dem Sommer 1990, die Stammaktien, die 1990 bis auf 2 185 D-Mark gestiegen waren, stürzten danach bis auf 1 240 D-Mark ab. Alle Bedenken schienen gerechtfertigt.
    Und dann kamen die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 1991. Entgegen allen Prognosen der Analysten und auch der SAP-Geschäftsführung selbst, hatte sich das Jahr 1991 zum besten Geschäftsjahr in der zwanzigjährigen Geschichte des Unternehmens gemausert. Die Umsätze waren um mehr als 40 Prozent

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