Greife nie in ein fallendes Messer
mit 1,4 Milliarden US-Dollar seinen Zenit erreichen und dann auf 1,1 Milliarden US-Dollar zurückfallen.
Diese Beratungsgesellschaft aus Amerika war zwar den meisten |180| auf dem Parkett ebenso wie mir völlig unbekannt, aber die Computerfreaks unter uns wiegten bedenklich den Kopf. Derartige Probleme seien durchaus vorstellbar.
Die Kurse der SAP-Aktien kennen an jenem 11. April nur eine Richtung: nach unten. Die Vorzüge sacken auf 176 D-Mark ab. Noch vor vier Wochen hatte der amerikanische Broker Morgan Stanley sein Kursziel von 235 D-Mark für diese Aktie bekräftigt, und jetzt dieser Einbruch! Alle, die sich von der Aktie getrennt hatten, fühlen sich jetzt bestätigt. Keiner, der auf günstigere Kurse für den erneuten Einstieg gewartet hatte, sieht sich veranlasst, etwas zu tun. »Die Aktie ist angeschlagen«, ruft man mir auf dem Parkett zu und verkauft weiter.
Die Pressestelle der SAP in Walldorf ist telefonisch nicht zu erreichen, aber die Zeit drängt, ich brauche unbedingt vom Unternehmen selbst eine Stellungnahme zu den Äußerungen der amerikanischen Beratergesellschaft. Nach längerem Hin und Her lande ich schließlich bei einem Mitarbeiter auf der Führungsetage. Ja, man habe von dieser Meldung gehört und über n-tv auch von der Reaktion an der Börse erfahren. Ja, das amerikanische Unternehmen sei in der Branche bekannt, nein, Negatives sei bisher nicht darüber zu berichten. Aber leider, oder besser, Gott sei Dank, sei die Meldung absolut falsch. R/3 sei anpassungsfähig und werde ab 1999 bestimmt kein Museumsstück sein. Die Kunden von SAP könnten sicher sein, es gebe in den nächsten Jahren bestimmt keine inkompatible Neuentwicklung.
Ich gebe diese Auskunft in den folgenden Schaltungen aus der Frankfurter Börse als offizielle Stellungnahme von SAP sofort an die Zuschauer von n-tv weiter. Der Verkaufsdruck hat in der Zwischenzeit etwas nachgelassen. Gleichzeitig halten immer mehr Börsianer und Anleger die Hand auf und steigen wieder ein. Die vielleicht übertriebene Verkaufswelle hat eine nicht unerwartete Gegenreaktion ausgelöst. Auf diesem niedrigen Niveau ist SAP offenbar wieder ein Kauf.
In den folgenden Tagen wurde der Absturz der SAP-Aktien beendet und schlug sogar in starke Käufe um, als die Schätzungen für die |181| ersten drei Monate 1996 ein Gewinnplus von mehr als 60 Prozent signalisierten – die Umsätze hatten in diesem Zeitraum um 40 Prozent zugelegt. Da war sie plötzlich wieder, die SAP-Dynamik, die wir in den letzten Monaten so schmerzlich vermisst hatten. Trotzdem blieben die Kurse der Vorzugsaktie knapp über 200 D-Mark hängen, die alten Höchststände aus dem Herbst 1995 mit Kursen von über 260 D-Mark wurden nicht mehr erreicht.
Der Bericht von Forrester Research hatte alle Analysten und institutionellen Anleger trotz des Dementis aus Walldorf auf das Risiko eines Unternehmens aufmerksam gemacht, dessen Wohl und Wehe von einem einzigen Produkt abhängt. Das gab zu denken, selbst wenn SAP mit seiner Industriestandardsoftware R/3 inzwischen einen Weltmarktanteil von 34 Prozent erreicht hatte, sich zum Hauptlieferanten der Autoindustrie mauserte und mit seiner Software deutlich mehr Umsätze erzielte als seine Mitbewerber Baan, Oracle und Peoplesoft zusammen! Aber irgendwann würde der Markt gesättigt sein.
Von dem unglaublichen Auftragsboom durch die Entstehung von Euroland und durch die Umstellungsschwierigkeiten der Computerprogramme zur Jahrtausendwende sprach zu dieser Zeit noch kein Mensch auf dem Parkett. Die wichtigsten Gesprächsthemen blieben das Risiko eines Ein-Produkt-Unternehmens und das Ausscheiden des ehemaligen SAP-Vorstands Hans-Werner Hector. Immerhin waren mehr als 10 Prozent der Stammaktien mit einem Marktwert von 1,8 Milliarden D-Mark aus Hectors Bestand an einen Trust verkauft worden. Wenn dieses Aktienpaket auf den Markt käme, würde es den Kurs der SAP-Aktien erheblich beeinträchtigen. Aus bloßer Angst vor einem möglichen Verkaufsdruck verloren die Stammaktien rund 3,5 Prozent und kosteten nur noch 196,50 D-Mark.
Nach einigen Tagen aber beruhigten sich die Gemüter, und wir konnten uns wieder unserem alten Lieblingsspiel widmen, dem Rätselraten um die Geschäftsentwicklung bei SAP. Diesmal standen die Neunmonatszahlen für das laufende Geschäftsjahr an. Bis zum Börsenschluss am 22. Oktober sickerte nichts durch. Die Vorzugsaktien hatten sich erstaunlich stabil bei 280 D-Mark gehalten. Keiner auf dem Parkett ahnte etwas
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