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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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»Ohrenbeißer«, bereits an zwölf TV-Sender in vier Kontinenten verkauft und kassiert dafür 64 Millionen D-Mark. Mit jedem Kampf steige der Gewinn pro Aktie um 3 D-Mark, rechnet mir ein freier Makler vor. Also, ab geht die Post. Das KGV auf der Basis der erwarteten Gewinne in diesem Jahr erreicht fast 180. Mit anderen Worten, bei dem gegenwärtigen Gewinn pro Aktie braucht das Unternehmen 180 Jahre, um diesen Kurs zu verdienen. Ganz schön langfristig gedacht! »Aber warum soll man sich darüber aufregen«, fragen sich die Börsianer, »es kommt doch am Neuen Markt längst nicht mehr auf den gegenwärtigen Gewinn und das altbackene KGV an, vielmehr ist die künftige Gewinndynamik ausschlaggebend.«
    |189| Und diese Dynamik und die Hoffnung auf künftige Gewinne rechtfertigen offenbar am Neuen Markt jede Kursexplosion. Wer mag da noch auf die guten alten Standardwerte wie Bayer oder Allianz setzen, die an guten Tagen vielleicht um 4 oder 5 D-Mark zulegen? Am Neuen Markt und bei Internetaktien spiele die Musik, nicht bei den langweiligen Blue Chips, entgegnen mir vor allem junge Anleger in den Diskussionen nach meinen Vorträgen, wenn ich für die langfristige Vermögensbildung auf die großen europäischen Werte mit ihrer hohen Liquidität zu sprechen komme. In der gegenwärtigen Situation habe ich in der Tat keinen leichten Stand, gegen die offensichtlichen Renditeerfolge auf diesen engen jungen Märkten zu argumentieren. Aber wie weit reicht diese Gegenwart in die Zukunft hinein, und was geschieht, wenn nicht nur einzelne Anleger mit geringen Stückzahlen Kasse machen wollen? Was helfen spektakuläre Kursgewinne auf dem Papier, wenn schon kleine Verkaufsaufträge nur in Teilen und dann auch nur zu deutlich nachgebenden Kursen ausgeführt werden können? Sehr schnell schnurren dann die Buchgewinne zusammen, und das bei fixen Kosten für jeden Teilverkauf.
    Bis zur Jahreswende 1989/1990 hatte ich ähnliche Hinweise auf die außerordentliche Dynamik hin und wieder auch als Rechtfertigung für die langjährige Hausse an der japanischen Börse gehört. Als sich dann die Kurse an der Tokioter Börse auf eine achtjährige Talfahrt begaben, hatten wir natürlich alle schon vorher gewusst, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von durchschnittlich über 60 bei den japanischen Werten hoffnungslos übertrieben waren. Das hatte doch nicht gutgehen können! Alles war doch nur heiße Luft gewesen! Stimmt! Nur, warum hatte daran keiner gedacht, als die Kurse noch stiegen?
     
    Oft schreiben berufene oder auch unberufene Börsenbeobachter nur den allgemeingültigen Trend fort. Mehren sich die Erwartungen steigender Kurse, kann man sich höchstens noch durch einen auffälligen Optimismus aus dem »stimmigen« Umfeld herausheben. Mit der nötigen Resonanz in den Medien werden auf diese Art Kursbewegungen verursacht, die nicht unbedingt mit den realen Verhältnissen übereinstimmen müssen, zum Leidwesen derer, die aufgrund dieser |190| veröffentlichten Schätzungen noch versuchen, auf den fahrenden Schnellzug zu springen. Eine Beobachtung, die ich in den ersten Lebensmonaten des Marktsegmentes »Neuer Markt« immer wieder machte.
    Am 10. März 1997 an der Frankfurter Börse uraufgeführt, sorgte dieser privatrechtlich organisierte Handel von Anfang an für spektakuläre Schlagzeilen und stahl dadurch allzu häufig seinem großen Bruder, dem amtlichen Markt mit seinen amtlich bestellten und vereidigten Kursmaklern, die Schau.
    Die Idee der Frankfurter Börse, die zur Gründung des Neuen Marktes geführt hatte, war im Grunde goldrichtig. Jungen und dynamischen Unternehmern aus dem Hightech-Bereich sollte – wie an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq auch – die Gelegenheit geboten werden, sich über den Gang an die Börse das Eigenkapital zu beschaffen, das sie für die Umsetzung ihrer Ideen und Pläne in der Produktion oder im Dienstleistungsbereich dringend benötigen. Gleichzeitig wollte die Frankfurter Börse risikobewussten Kleinanlegern eine hochrentable Anlagemöglichkeit bieten. Beide Gruppen konnten sich auf dem Neuen Markt treffen und voneinander profitieren. So die hehren Vorstellungen der Gründerväter des Neuen Marktes. Dass dieser Neue Markt schon bald aus den Schuhen springen und zu einer Zockerbude verkommen würde, von der sich skrupellose Unternehmer, clevere Fondsmanager und ahnungslose Kleinanleger im Handumdrehen das ganz große Geld versprachen, hatte im Frühjahr 1997 wohl keiner geahnt. Auch die

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