Grenzen setzen – Grenzen achten
Ende
Zwar vielleicht langsamer
Wie eine Batterie
In einer Taschenlampe
Die keiner benutzt
Aber das hilft nicht viel:
Wenn man
(sagen wir einmal)
Diese Taschenlampe
Nach soundsovielen Jahren
Anknipsen will
Kommt kein Atemzug Licht mehr heraus
Und wenn du sie aufmachst
Findest du nur deine Knochen
Und falls du Pech hast
Auch diese schon ganz zerfressen
Da hättest du
Genauso gut
Leuchten können“
Ein junger Mann kam zu mir. Er hatte das Gymnasium in der 11. Klasse abgebrochen. Die erste Lehre als Elektriker machte er schon nach einem halben Jahr nicht mehr weiter. Die Gärtnerlehre hielt er immerhin ein Jahr lang durch. Dann passte ihm der Betrieb dort auch nicht mehr. Seine Mutter hatte ihm immer alle Steine aus dem Weg geräumt. Sobald er in der Schule oder in der Lehre die ersten Schwierigkeiten überwinden musste, gab er auf und zog sich wieder in das vertraute Nest der Mutter zurück. Dort ist vertraute Wärme, aber auch Einengung, innerhalb derer er sein Leben nie wird meistern können. Er muss diese Enge verlassen, um weiterzukommen. Als ich ihn nach seinen Berufswünschen fragte, meinte er, er möchte Sportjournalist im Fernsehen werden. Doch er hatte außer einem Brief, der nie beantwortet wurde, keinen konkreten Versuch unternommen, sein Ziel zu erreichen. Aus dem Nest der Mutter heraus phantasierte er sich andere Welten, in die er flüchten wollte. Doch die waren reine Illusion. Sie taten nicht weh. Als ich ihmsagte, der Fernsehalltag sei genauso rau wie die Arbeit in der Gärtnerei, schwärmte er mir vor, wie schön es sei, über Fußballspiele oder Rennsport zu berichten. Doch dass gerade er diesen Traumjob erringen sollte, ist ziemlich unwahrscheinlich. Und ganz sicher wird er nie zu dieser Aufgabe kommen, wenn er nicht aus dem Nest der Mutter aussteigt und kämpfend seine sich selbst gesetzten Grenzen überschreitet.
Manche Menschen trauen sich nicht, ihr Nest zu verlassen, weil sie selbst verlassen worden sind. Eine Frau – von der Erfahrung als Scheidungskind tief geprägt – erzählt: Ihre Mutter bindet sie immer wieder mit den Worten an sich: „Wenn du mich verlässt, sterbe ich.“ So lebt sie mit 33 Jahren immer noch bei ihr. Sie spürt zwar schmerzlich die Enge, die sie einschnürt. Aber als Scheidungskind hat sie Angst, nun auch noch die Mutter zu verlieren. Der Vater war einfach fortgegangen. Wenn sie die Mutter verlässt, so ihre tiefe Angst, wird sie sich selber völlig verlassen fühlen. So bleibt sie also lieber im Nest sitzen, obwohl sie unter der Enge leidet. Ein solcher Mensch braucht zunächst einmal die Erfahrung einer inneren Stärke als innere Heimat, um die äußere „Heimat“, die sie nur noch einengt, verlassen zu können.
Aus dem mütterlichen Nest auszubrechen ist besonders schwierig. Aber auch die Loslösung vom Vater ist bisweilen gefordert. Auch hierzu eine beispielhafte Szene aus der Bibel. Zu einem zweiten Mann, der Jesus unbedingt nachfolgen, aber zuerst noch heimgehen und seinen Vater begraben wollte, sagte der Meister: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!“ (Lk 9,60) Der junge Mann wollte zwar seinen eigenen Weg gehen. Aber er wollte warten, bis der Vater stirbt und die Erbschaft geregelt ist. Doch wer wartet, bis der Vater gestorben ist, der wird seinen eigenen Weg nie finden. Er wird immer auf den Vater und dessen Erwartungen schauen.Aus Angst, den Vater zu verletzen, wird er sich anpassen, anstatt das eigene Leben zu leben. Für die Juden war es höchste Pflicht und Ehre, die Toten zu begraben. Jesus schockiert den jungen Mann mit seinem radikalen Satz, die Toten sollten ihre Toten selber begraben. Für den Mann ist der Vater also schon tot. Für ihn ist die innere Abhängigkeit vom Vater Ausdruck von Totsein. Wer nur tut, was der Vater sagt, der ist nicht lebendig. Wer warten will, bis der Vater tot ist, der ist jetzt schon gestorben. Damit er selbst leben kann, muss erst der Vater im Inneren des Sohnes sterben. Manchmal träumen wir, dass der Vater stirbt oder gestorben ist. Ein solches Traumbild zeigt, dass wir innerlich von ihm frei geworden sind und dass wir uns nicht mehr über eine äußere Autorität definieren. Manchmal stellt uns so ein Traum auch vor die Aufgabe, dass wir den Vater innerlich sterben lassen müssen, dass wir uns von ihm distanzieren sollen. Das bedeutet: Nur wer mit sich in Berührung ist und mit der inneren Stimme, die er im Herzen hört, vermag die engen Grenzen
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