Grenzen setzen – Grenzen achten
er wirken möchte. Jesus zeigt mit diesem Wort auf, dass Herodes sich als mächtig aufspielt und voller Intrigen ist. Aber letztlich hat er keine Macht. Jesus wirkt solange im Herrschaftsbereich des Herodes, wie er selbst es möchte. In Jerusalem wird er sein Werk vollenden, und zwar durch seinen Tod für die Menschen. Aber dieses Ende ist ihm nicht von Menschen gesetzt, sondern von Gott. Es ist eine innere Grenze, die er in sich spürt und die er aus freiem Willen akzeptiert.
Auf seiner Wanderung kommen auch andere Menschen zu Jesus. Sie sind fasziniert von seiner inneren Freiheit und Ausstrahlung und möchten ihm nachfolgen. Der erste Mann sagt zu Jesus voller Selbstbewusstsein: „Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.“ (Lk 9,57) Jesus aber weist ihn auf die Bedingungen hin: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ (Lk 9,58) Viele wollen etwas leisten in ihrem Leben. Aber sie berücksichtigen nicht die Bedingungen. Sie möchten immer im vertrauten Nest bleiben, in den engen Grenzen, in denen sie sich geborgen fühlen. Sie haben Angst, ihre Grenzen zu erweitern. Vor lauter Sich-Abgrenzen kommen sie gar nicht in Bewegung. Sie entdecken gar nicht, wie viel Potential in ihnen steckt, aus Angst, das vertraute Nest verlassen zu müssen, den eng abgestecktenRaum ihrer bisherigen Grenzen. Wer Jesus nachfolgen will, der muss sich weit aus dem Fenster lehnen und sich vom Wind umwehen lassen. Er muss das eigene Haus verlassen und in die Fremde ziehen, in unbekannte Bereiche, in denen er nicht weiß, ob er ihnen gewachsen ist, und wo und wie er sich darin ausruhen kann. Doch wer das Unbekannte scheut, der wird nie in seine eigene Kraft hineinwachsen. Er wird immer nur die Kraft erproben, die er bisher gespürt hat. Sein Leben wird unfruchtbar bleiben. Wer nur Dienst nach Vorschrift ausübt, der wird dabei auch nicht glücklich. Er hat zwar ein bequemes Leben. Aber es wird langweilig. Und es fehlt die Spannung. Zum Menschen gehört es, dass er ausbricht aus der Enge und den Mut hat, seine eigenen Kräfte zu messen. Dabei wird er immer auch verlieren. Wer kämpft, der wird auch verwundet werden.
Blockierte Aktivität
Die Psychologin Margrit Erni spricht davon, dass Menschen, die sich unterfordern, häufig Aktivitäten suchen, „die unter normalen Umständen meistens unter ihrem sonstigen moralischen Niveau liegen. Blockierte Aktivität kann negative psychische Konsequenzen haben. Die Grenze wird hier zur gefährlichen Eingrenzung, die nicht nur hemmt, sondern auch vergiftet.“ Wir brauchen die Herausforderung, etwas zu leisten, um gesund zu leben. Wer dieser Herausforderung aus dem Weg geht und sich lieber in seinem Nest des Wohlbehagens einrichtet, der wird sich nicht weiterentwickeln. Er wird in sich bald Verbitterung und innere Vergiftung wahrnehmen. Abraham Maslow spricht davon, dass manche vor dem eigenen Wachstumspotential zurückschrecken. Für ihn ist, so Erni, „dieses Zurückschrauben eigener Erwartungen, diese Furcht, sich völlig auszugeben, die freiwillige Selbstverstümmelung, die angebliche Dummheit,die falsche Bescheidenheit, in Wahrheit nichts als Furcht vor der Großartigkeit.“ Diese Menschen trauen ihrer Berufung nicht, die sie von Gott erhalten haben. Sie machen sich künstlich klein. Sie haben Angst, über ihre Grenze zu gehen, und verstümmeln sich auf diese Weise selber. In einem modernen religiösen Lied heißt es: „Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, bringe ich vor dich. Wandle sie in Weite. Herr, erbarme dich.“ Gott möge unsere engen Grenzen aufbrechen und sie in Weite verwandeln. Enge Grenzen sind Zeichen von Angst und innerer Unfreiheit. Das weite Herz, das für Benedikt ein Zeichen echter Spiritualität ist, bricht diese Enge auf. Wer einen spirituellen Weg geht, muss die engen Grenzen seiner Selbstbeschränkung und Ängstlichkeit hinter sich lassen und den Mut haben, in die Weite Gottes zu schreiten.
Ungelebtes Leben
Was meine Grenze ist, erfahre ich erst, wenn ich einmal über die Grenze hinausgegangen bin. Wer nie den Mut hat, seine eigene Grenze zu überschreiten, dessen Leben verkümmert. Erich Fried hat ein Gedicht geschrieben, das uns in drastischen Bildern einen Menschen schildert, der sich vor lauter Angst, er könne vielleicht einmal überfordert werden, überhaupt nicht fordern lässt und letztlich an seinem ungelebten Leben leidet.
„Auch ungelebtes Leben
Geht zu
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