Grenzenlos ermitteln - 23 Raetsel-Krimis
wie diejenigen zwischen Liebenden â einfach meisterhaft!«
Sie werden sich nun wohl fragen, inwiefern ich den mitreiÃenden Schilderungen des Verdächtigen eine analytische Kraft entgegenzusetzen hatte. Und ich gebe zu: Es fiel mir schwer. Allein der Gedanke an ein solches Manuskript versetzte mich in innere Aufruhr. Wie mag es da erst dem Grafen Bodo von Wellstein gegangen sein?
Ich lehnte mich im Stuhl zurück, um Gelassenheit zu signalisieren. »Wie kommen Sie darauf, dass Goethe ein komplettes Manuskript eigenhändig niederschrieb, er hatte doch angestellte Schreiber?«
»Ja schon, aber erst in Weimar, alle Werke aus seiner Frankfurter Zeit hat er selbst geschrieben, im Frankfurter Dichterzimmer, den Götz, den Werther, die Wahlverwandtschaften und den Clavigo.«
»Mit Tinte oder mit Kohlestift?«
»Mit Tinte natürlich!«
Ich nickte. »Was hat der Graf Ihnen dafür bezahlt?«
»150.000 Euro.«
»Hmm. Nicht schlecht. Wäre aber viel mehr wert gewesen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn es echt wäre, hätte ein groÃes Museum wesentlich mehr dafür gezahlt.«
Er bewegte seinen Oberkörper unruhig hin und her. »Sie meinen, ich habe es unter Wert verkauft?«
»Nein, Sie haben es deutlich über Wert verkauft. Denn das Manuskript kann nicht echt sein.«
Wahrscheinlich denken Sie jetzt, ich sei übergeschnappt, weil ich dies behaupte, ohne das Manuskript überhaupt in der Hand gehalten zu haben â aber bitte: vertrauen Sie mir!
Percy Moosbacher sah mich irritiert an. »Das behaupten Sie einfach so, ohne es gesehen zu haben?«
»Genau. Um das Ganze fürs Gericht wasserdicht zu machen, werden wir sicher noch ein grafologisches Gutachten brauchen«, sagte ich. »Aber schon jetzt steht fest: Dieses Manuskript ist eine Fälschung!«
Woher wusste Hendrik Wilmut, dass das Manuskript eine Fälschung war, ohne es gesehen zu haben?
Lösung
Die Lösung schwarz auf schwarz:
Zu Goethes Frühwerken, die er in Frankfurt vor seiner Ãbersiedlung nach Weimar (1775) geschrieben hat, gehören der Götz von Berlichingen, die Leiden des jungen Werther, der Clavigo und der Urfaust, jedoch nicht die Wahlverwandtschaften.
Damit begann Goethe erst 1807. Zu dieser Zeit war er längst in Weimar, wurde vom Herzog finanziell unterstützt und hatte mehrere angestellte Schreiber. Die Wahrscheinlichkeit, dass Goethe dort ein komplettes Manuskript eigenhändig mit der Tintenfeder schrieb, ist gleich null.
Percy Moosbacher lügt also.
Ergänzung:
Moosbachers Behauptung, dass Goethe sich bereits 1770 mit der heiligen Ottilie als Vorlage für einen literarischen Text beschäftigt hat, ist korrekt und zeugt von Percys Fachwissen. Was er jedoch nicht wusste: Die Figur der Ottilie schlummerte mehr als 30 Jahre in Goethes Gedanken. Erst mit den Wahlverwandtschaften wurde sie 1807 zum Leben erweckt. 1809 erfolgte die Veröffentlichung durch die Gottaische Buchhandlung in Tübingen.
Friederike Schmöe
Katinka Palfy und der Zaster der alten Dame
Ein strahlender Septembernachmittag. Auf den Wellen der Regnitz brachen sich glitzernd die Sonnenstrahlen. Passanten schlenderten über die Obere Rathausbrücke, versonnen ein Eis schleckend. Die Christl, das beliebte Passagierschiff, brach zu einer weiteren Ausflugsfahrt Richtung Hafen auf. Im Café gegenüber der Anlagestelle schlürften die Studenten Espresso.
Nur Privatdetektivin Katinka Palfy hatte es eilig. Ihr aktueller Fall war gelöst. Das Problem bestand nur darin, dass sie dem Täter den Diebstahl von 15.000 Euro nicht nachweisen konnte. Er musste sich quasi selbst überführen.
Die alte Elsa Klar hatte ihr Geld einfach nicht bei einer Bank einzahlen wollen. Sie war sogar schon zu einem Zeitpunkt, als sie noch im Besitz ihrer geistigen Kräfte war, nicht davon zu überzeugen gewesen, dass Geld bei einer Bank am besten aufgehoben war. Inzwischen wies sie eindeutige Anzeichen von Demenz auf und wurde von Tag zu Tag Argumenten weniger zugänglich. Jeden Morgen trug sie das Kuvert mit dem Geld in der Wohnung umher und suchte ein neues Versteck.
Der Ort, an dem Marga Klar, die Tochter der alten Dame und Katinkas Auftraggeberin, den Umschlag zuletzt gesehen hatte, war unter der Spüle in der Waschküche gewesen, wo das breite Abflussrohr einen Knick hatte. Genau in diesen Knick hatte die alte Dame ihr Erspartes
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