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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Kanzlei kamen. In Gedanken war sie längst dabei, den Chef vom Dienst beim Ostseekurier von der Putzfrauen-Geschichte zu überzeugen.
    Du bist nicht für alle verantwortlich.
    Soziale Erschöpfung.
    Es wird ein paar Tage dauern, ihre Batterien wieder aufzuladen. Die Wunden zu lecken, die Nick ihr geschlagen hat. Sie läuft über die große Wiese. Das Gras ist feucht vom Tau. Ihre Füße werden nass. Es tut gut, etwas zu spüren.
    Haustür aufschließen. Briefkasten aufschließen. Das fühlt sich schon ziemlich echt an. Echtes Leben. Sogar ein Brief für sie ist dabei. Mattie steigt in den Fahrstuhl und reißt den Umschlag auf. Bestimmt wieder Werbung. Schließen Sie eine Zusatzversicherung ab.
    Der Fahrstuhl hält. Die Tür geht auf.
    Zu.
    Auf.
    Mattie sitzt in der Kabine auf dem Boden. »Sehr geehrte Frau Junghans, leider mussten wir ein Adressen-Ermittlungsverfahren einleiten, da Ihre Meldeadresse …«
    Hinnarck hatte eine Lebensversicherung. Er hat sie auf Matties Namen abgeschlossen, weil er wusste, dass sie für Emma sorgen würde. Die Summe auf dem Papier verschwimmt vor ihren Augen.
    Mattie stürmt in die Wohnung. Wo ist das Handy?
    »Hallo, hier ist Madita Junghans. Ich möchte bitte meine Mutter sprechen. Zimmer 218.«
    »Madita.« Emmas schleppende Stimme katapultiert Mattie in eine Rolle rückwärts. Als würde die Zeitrechnung noch mal von vorne beginnen. Was sie ja auch tut.
    »Emma, wusstest du, dass Hinnarck eine Lebensversicherung hatte?«
    Stille.
    »Emma!«
    »Hinnarck sagt, vergiss nicht, die Versicherung ist in der Schublade von dem Sekretär.«
    »Und warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Nicht schreien!«
    Mattie atmet.
    Emma raucht. Sie kann das Saugen an der Zigarette hören.
    »Du hast nicht gefragt.«
    »Du hast gesagt, da ist nichts Wichtiges mehr.«
    Emma weint.
    Mattie atmet.
    »Schon gut, Emma. Weißt du was? Du kannst da bleiben, in dem Heim. Ist das nicht toll?«
    Emma schnieft.
    »Du kannst bei Schwester Lisa bleiben, Emma.«
    »Schwester Lisa ist weg. Hat gekündigt.«
    Mattie lacht. Bestimmt hat Emma was damit zu tun. Alles Gute, Schwester Lisa. Viel Erfolg auf Ihrem weiteren Lebensweg.
    »Du kannst hundert werden, Emma. Und du brauchst nie mehr umziehen!« Sie kann nicht aufhören zu kichern.
    Emma kichert gleich mit. Lachen ist ansteckend. »Die Zigaretten sind alle.«
    »Ich schick dir so viele du willst.« Mattie kriegt kaum noch Luft.
    »Jetzt ist Bingo. Tschüs, Madita.«
    Emma hat aufgelegt.
    Ein persönliches Gespräch zwischen Mutter und Tochter.
    Mattie fühlt sich, als hätte man ihren Stecker rausgezogen.
    Power Cut.

14. Juli 2012, Turnu Severin
Walachei, Rumänien
    Sie steht morgens als Erste auf. Das Haus gehört dann ihr, bevor die anderen aufwachen. Adriana geht über den Hof. Die Erde ist noch kühl unter den Füßen. Ihre Stiefel trägt sie in der Hand.
    Sie ist schon fast bei der Dusche. Ein Geräusch aus der Küche – Musik. Sitzt so früh jemand vor dem Fernseher? Leise geht sie zurück, bleibt im Türrahmen stehen.
    Liliana hat den alten Spiegel auf einen Stuhl gestellt. Irgendwo hat sie ein paar Vorhänge aufgetrieben, die sie um sich herumdrapiert hat. Sie studiert eine Tanzszene der neuen DVD ein. Adriana hat den Film noch nicht gesehen.
Koi jaane na
Niemand weiß
Yeh kaisi naag hai
Was das für ein Feuer ist
Mere dil ko dasta
Das an meinem Herzen frisst
Yeh kaisa naag hai
Was für eine Schlange
    Sie hält den DVD-Player an und spielt dieselbe Stelle noch mal ab. Im Spiegel überprüft sie, ob ihre Bewegungen exakt genauso aussehen wie die von Priyanka Chopra auf dem Fernseher, die auch mit solchen Schleiern herumwirbelt.
    »Yeh kaisa naag hai!«, singt Lili laut. Adriana tritt von hinten an sie heran. Das Mädchen erschrickt, dann erkennt sie, wer hinter ihr steht. »Mama.«
    Sie betrachtet ihre Tochter im Spiegel. Bald wird sie eine Frau sein. Vorsichtig zieht sie die goldenen Ohrringe aus der Tasche ihres Rocks und befestigt sie in Lilis Ohrlöchern, erst rechts, dann links. Lilis Mund steht offen.
    »Mama, für mich? Ein Geschenk?«
    Adriana lächelt. »Von deinem Großvater.«
    »Ist Großvater nicht schon lange tot?« Lili hat sich umgedreht.
    Adriana lächelt. »Für wen übst du? Habt ihr eine Vorführung in der Schule?«
    »Nein.« Lili betrachtet sich im Spiegel. Sie ist verlegen, meidet die Augen ihrer Mutter. »Diese Frau aus Deutschland, die hier war. Mattie. Kennst du sie?«
    »Ja.« Meti. »Was ist mit ihr?«
    »Ich will mit ihr

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