Grenzgaenger
sich noch einmal der Mutter zu. «Erzählen Sie doch einmal von Jochens beruflichem Werdegang.»
«Der war immer fleißig, mein Jochen. Ist immer regelmäßig zur Schule gegangen. Klaus war ja immer schon ein schwieriges Kind. Jochen hat sogar sein Abitur gemacht. Ganz alleine. Ich konnte ihm dabei ja nicht helfen. Dann die Ausbildung zu Ende und gearbeitet. Und später ist er dann Musiker geworden und hat da auch seinen Erfolg gehabt.»
Sie brach ab und wartete auf Toppes nächste Frage.
Toppe atmete tief durch. Ihm war klar, dass er hier nicht viel mehr über Jochen Reuter herausbekommen würde.
«Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?», fragte er noch.
«Bevor ich zur Kur gefahren bin. Vor drei Wochen, da war er noch kurz hier», antwortete sie.
«Und wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?»
Klaus öffnete kurz die Augen. «Keine Ahnung, ist bestimmt ein Jahr her.»
Van Appeldorn stand auf. «Kennen Sie José Bruikelaer?»
«Wen?», fragte die Mutter. «Nein, war das seine Freundin? Um seine Mädchen hab ich mich nicht gekümmert. Ich hab genug mit meinen eigenen Sorgen.»
Klaus winkte ab. «Nie gehört.»
Toppe verabschiedete sich.
Van Appeldorn drehte sich noch einmal um. «Wir sehen uns morgen früh um neun im Büro, Herr Reuter!»
Frau Reuter begleitete sie zur Tür.
«Mann!», motzte van Appeldorn und knallte die Autotür zu.
Toppe nickte. Er fühlte sich, als habe ihm jemand die Luft rausgelassen.
«Und was der Reuter ihnen damit angetan hat, dass er sich hat ermorden lassen! Unverschämtheit!», schnaubte van Appeldorn und fuhr mit quietschenden Reifen an.
«Bei der HPH-Sache müssen wir nachhaken», beschloss Toppe.
Heinrichs und Ackermann hatten bis auf zwei Leute alle Gäste von Reuters Fete befragt, und Astrid hatte die restlichen Zeitungen durchgesehen. Auf Toppes Schreibtisch lagen die Artikel und Fotos, säuberlich nach dem Erscheinungsdatum geordnet.
«Kann ich gehen?», fragte Astrid. «Ich muss mir noch eine Wohnung ansehen.»
Toppe nickte nur. Er war müde und deprimiert.
«Wir müssen endlich unsere Berichte schreiben», sagte Breitenegger.
Damit waren sie in den nächsten Stunden ausgelastet.
Gegen halb zehn fuhr Ackermann zur nächsten Imbissstube und holte Pommes frites, Frikadellen, Fleischrollen und Schnitzel. Sie aßen schweigend, jeder für sich an seinem Schreibtisch in Gedanken versunken.
Selbst Ackermann hielt den Mund. Er suchte in Gedanken nach besonders schönen Formulierungen für seinen Bericht über die Befragung einer jungen Frau.
Toppe zog die Schreibtischlampe näher zu sich heran und begann, die Artikel zu lesen, die über die Bigband erschienen waren.
Es waren wohlwollende Berichte über Auftritte in der Stadthalle und bei der deutsch-niederländischen Kulturbörse, über eine Fahrt nach Worcester, der neuen Partnerstadt, und mehrere Konzerte im Forstgarten. Bis auf den Orchesterleiter waren die Künstler nicht namentlich genannt. Toppe fand nichts Auffälliges in den Artikeln und griff zu den Fotos. Das erste war aufgenommen worden nach einem Konzert der Bigband in der Stadthalle. Im Hintergrund sah man die Musiker mit ihren Instrumenten, im Vordergrund überreichte ein Mann dem Orchesterleiter einen Blumenstrauß. Beide lächelten in die Kamera. Toppe erkannte den Mann wieder. Er war ein städtischer Angestellter gewesen, der bei offiziellen Musikereignissen den Maître de Plaisir zu machen pflegte. Im letzten Jahr hatte er sich erhängt.
Die Gesichter der Musiker waren nur verschwommene Punkte.
Auf dem nächsten Foto konnte man sie besser erkennen. Toppe holte seine Lupe aus der Schublade.
«Aha, doch bei die Sherlock Holmes auf die Schule gegangen», flachste van Appeldorn, aber Toppe sah nicht auf.
Dieses Foto war in Worcester aufgenommen worden, und in der Bildunterschrift waren alle Namen aufgeführt. Er suchte und fand Jochen Reuter, der gelangweilt aussah, José Bruikelaer und die anderen, die er kannte, lächelten fotogen. Ein Bandmitglied kannte er nicht. Die Bildunterschrift wies den jungen Mann als M. Versteyl aus. Toppe nickte, der Student aus Bonn.
Am rechten Bildrand standen eine Frau und ein Mann in einem langen, ausgebeulten Parka. Die Bildunterschrift gab keine Hinweise. Links vorn standen der ‹Mayor of Worcester› und der Kreistagsabgeordnete O. Hetzel.
Das dritte Foto stammte von einem Auftritt im Konvikt Gaesdonk.
Heinrichs klatschte plötzlich in die Hände. «Jungs, es ist nach Mitternacht, und es ist immer noch
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