Grenzgaenger
nicht gut. Man sollte hinfahren, meine ich.»
Die Ergebnisse, die van Appeldorn, Heinrichs und Ackermann zur Besprechung um drei mitbrachten, waren mager.
«Das sind alles ziemlich komische Typen, aber keiner ist bis jetzt besonders verdächtig», fasste Heinrichs zusammen.
Astrid legte Toppe einen kleinen Stapel Kopien und ein paar Fotos auf den Tisch. Sie hatte 278 Zeitungen durchforstet.
«37 muss ich gleich noch, dann bin ich durch.»
«278 in den paar Stunden!», staunte Breitenegger. «Wie haben Sie das denn gemacht?»
«Ich habe einfach den Chefredakteur gefragt, ob mir jemand helfen kann. Ist ein Freund von meinem Vater. Der hat mir zwei Volontärinnen geschickt, und die waren sehr eifrig.»
Breitenegger lachte, aber Toppe fragte: «Und gründlich waren die auch?»
«Wieso eigentlich 310 Zeitungen», wollte Heinrichs wissen, «das müssten doch eigentlich 620 sein.»
«Hast du das denn nicht mitgekriegt», antwortete Breitenegger verwundert, «das Archiv von dem anderen Blatt ist doch voriges Jahr ausgebrannt.»
Toppe gab sich einen Ruck. Er musste endlich die Mutter und den Bruder aufsuchen. «Dann wollen wir mal weitermachen. Ihr habt ja alle noch genug zu tun.» Schon an der Tür, drehte er sich noch einmal zu van Appeldorn um und fragte: «Sag mal, wo wohnt diese Frau Reuter eigentlich?»
Van Appeldorn zuckte nur die Schultern.
Breitenegger suchte in seinen Papieren. «Beethovenstraße 28», brummte er, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.
Bei van Appeldorn fiel der Groschen endlich. «Okay, ich begleite dich. Kommt ihr alleine klar?», drehte er sich noch zu Heinrichs und Ackermann um.
«Null Problemo.» Ackermann kicherte.
«Na los, steig ein.» Van Appeldorn hielt ihm von innen die Beifahrertür auf.
«Und wo ist nun die Beethovenstraße?», fragte Toppe.
Die Beethovenstraße bestand aus vier kurzen Straßen, die in einem Karree angelegt waren, das von einer größeren Straße in zwei kleine Karrees unterteilt wurde. In der Mitte des einen Rechtecks lag ein großer Spielplatz, im anderen befand sich eine katholische, von Nonnen geleitete Einrichtung, die noch bis vor ein paar Jahren als ‹Heim für schwererziehbare Mädchen› bekannt gewesen war.
Die Hausnummer 28 befand sich auf der Spielplatzseite etwa in Höhe der Tischtennisplatte aus Beton. Die Häuser waren fast völlig identisch, zweigeschossige Vierfamilienbauten aus den frühen dreißiger Jahren, roter Backstein, alte weiße Holzfenster, davor kleine Vorgärten, die durch niedrige Mauern vom Bürgersteig getrennt waren. Die Eingänge wirkten düster, denn die alten Kastanien beidseits der Straße schluckten viel Licht.
Reuters Wohnung lag im Erdgeschoss. Toppe stieg die zwei Stufen zur Tür hoch und klingelte. Eine Frau öffnete ihnen.
«Guten Tag, Hauptkommissar Toppe, Kripo Kleve. Frau Reuter?», sagte er mechanisch.
Sie war ungefähr sechzig Jahre alt, untersetzt, hatte graumeliertes, wassergewelltes Haar und ernste Augen.
«Ja», nickte sie und wischte ihre roten Hände an der geblümten Kittelschürze ab.
«Kommen Sie doch herein.» Sie ließ sie an sich vorbei in den Flur treten. «Sie müssen entschuldigen, ich bin gerade am Waschen», erklärte sie und strich sich mit beiden Händen ordnend durchs Haar. In der Küche an der rechten Seite hörte man eine Waschmaschine laufen. Es roch nach Lauge, Zigarettenrauch und stickigem Moder.
«Kommen Sie doch.» Sie ging voran und öffnete die Tür zum Wohnzimmer am Ende des Flurs.
Es war ein kleiner Raum, vollgestopft mit viel zu wuchtigen Möbeln. Gegenüber von der Tür waren zwei kleine Fenster, die kaum Licht hereinließen. An der linken Wand stand ein großer Schrank aus heller Eiche, rechts eine messingfarbene Couchecke, davor ein sechseckiger Kacheltisch und ein schwerer Sessel. Zwischen Sofa und Sessel stand ein kleiner eichener Beistelltisch mit einer fast ein Meter hohen Madonna. Die Wände waren gepflastert mit kleineren Ölgemälden: Jagdmotive, Landschaften – Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Es war beinahe unerträglich warm, und es war laut.
«Klaus, machste mal den Fernseher aus?»
Der Sohn saß auf dem Sofa, die nackten Füße auf dem Kacheltisch, und rauchte. Er war hager, hatte ein schmales Gesicht, dünne Lippen und eine Hakennase. Sein Haar war kurz geschnitten. Er trug teure, neue Jeans und ein weißes Boss-T-Shirt.
Auf dem rechten Handrücken sah Toppe eine Tätowierung – drei kleine blaue Punkte –, an den Armen eine ganze
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