Grenzgaenger
sich.
Toppe versuchte linkisch, seine fast zwei Zentner in dem tiefen Sessel unterzubringen.
«Mein Sohn hat das Haus verlassen», sagte der Mann ruhig. «Warum möchten Sie ihn sprechen?»
«Wir haben einige Fragen an ihn im Zusammenhang mit einem Mordfall. Heißt das, Ihr Sohn ist ausgezogen?»
«Ja, vor etwa einem Jahr.»
«Und wie ist seine neue Adresse?»
«Er hat keine.» Die knappen Antworten standen in einem merkwürdigen Gegensatz zu den eigentlich freundlich und offen blickenden Augen des Mannes.
«Wissen Sie, wo wir ihn finden können?»
«Nein.»
«Vielleicht bei seiner Arbeitsstelle?»
«Mein Sohn hat keinen Beruf.»
«Würden Sie mir die Namen einiger seiner Freunde nennen?»
Fast erwartete Toppe die Antwort ‹mein Sohn hat keine Freunde›, aber der Mann lachte trocken auf. «Vielleicht versuchen Sie es einmal bei Otto Hetzel.»
«Herr Küsters, Otto Hetzel ist heute Mittag ermordet worden.»
«Wie bitte? Du lieber Gott.»
«Hatte Ihr Sohn engeren Kontakt zu Herrn Hetzel?»
«Es tut mir leid, ich weiß nicht, wie eng der Kontakt im letzten Jahr war.»
«Und vorher?»
«Da könnte man das wohl einen engeren Kontakt nennen.»
«Sie können mir also nicht weiterhelfen?»
«Nein», antwortete er bitter. «Ich habe lange nicht mehr mit meinem Sohn gesprochen. Vielleicht fragen Sie einmal bei den Leuten von der grünen Partei nach. Die wissen sicher mehr über ihn als ich. Tja», er stand auf.
Toppe erhob sich schnell.
«Wenn Ihr Sohn sich bei Ihnen meldet, richten Sie ihm bitte aus, dass wir mit ihm sprechen wollen.»
«Aber natürlich. Platz, Prinzess!»
Der Hund fegte Toppe zwischen die Beine.
Rudernd suchte Toppe Halt und verfing sich in einem der Sesselbeine. Krachend kippte der Sessel nach hinten. Toppe stöhnte auf, er hatte sich den Fuß verknackst.
«Entschuldigung.» Küsters stellte den Sessel wieder auf.
Toppe biss die Zähne zusammen und marschierte zur Haustür.
«Wie war noch Ihr Name?»
«Toppe.»
«Auf Wiedersehen, Herr Toppe.»
Leise fluchend humpelte er zu seinem Auto. Es hatte plötzlich angefangen zu regnen, und die Luft war voll von dem satten Geruch, der eintrat, wenn die ersten dicken Regentropfen auf staubigen, warmen Asphalt fielen. Aber er konnte ihn nicht genießen.
Auf dem linken Bein stehend schloss er die Autotür auf und ließ sich auf den Sitz fallen. Er zog den rechten Schuh aus, legte den Fuß auf den Beifahrersitz und betastete ihn vorsichtig. Der Außenknöchel war bereits angeschwollen. Das konnte ja heiter werden. Schnell zog er den Schuh wieder an – wenn er noch länger wartete, würde er nie wieder reinkommen –, startete den Wagen und warf einen letzten Blick auf die Kupfertür, die jetzt wieder geschlossen war. Der Mann hatte sich so angehört, als sei sein Sohn bereits gestorben.
Ob er ihn rausgeworfen hatte?
Astrid machte einen wohltuenden Aufstand um seinen Fuß. Sie besorgte von irgendwoher ein nasses Handtuch, das sie ihm als kühlenden Umschlag um den Knöchel wickelte, und überredete ihn, das Bein hochzulegen.
So versorgt, las er van Gemmerns Bericht. Das Gift war tatsächlich in den Negerküssen gewesen. Die Packung hatte zwölf Negerküsse (van Gemmern schrieb ‹Schokoküsse›) enthalten, vier fehlten, alle übrigen acht waren mit Digitalis präpariert. Das Gift war offensichtlich mit einer feinen Kanüle hineingespritzt worden. Über die genaue Menge in den einzelnen Schokoküssen hatte van Gemmern nichts geschrieben. Das mussten die detaillierten Untersuchungen in Düsseldorf ergeben.
Sie tauschten ihre Ergebnisse aus.
«Ja, wo dieser Küsters steckt, habe ich auch nicht rausfinden können», sagte van Appeldorn, als Toppe seinen Bericht beendet hatte. «Das weiß anscheinend kein Mensch. Auch sonst geben die Informationen über ihn nicht viel her: penetrant, ungepflegt mit strengem Geruch, militanter Nichtraucher.»
Irgendwo in Toppe schlug eine Glocke an, aber er konnte den Klang nicht festhalten.
Heinrichs meldete sich zu Wort: «Christiane Baumgarten sagte auch, er wäre ihnen ganz schön auf die Nerven gegangen mit seinen Stänkereien wegen dem Rauchen. Tja, und sonst konnte sich keiner auch nur an das Geringste erinnern, was für uns von Wichtigkeit wäre. Ich meine, fast jeder hat uns von einem kleinen, persönlichen Streit erzählt, aber das ist alles ohne Belang.»
«Auch dat, wat der Dr. Baumgarten gesagt hat?», fragte Ackermann. «Is’ dat auch ohne Belang?»
«Also, ich sehe da nichts»,
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