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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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mussten die Huren weichen. Zurück blieb ein billiges, leeres Haus mit großen Räumen und seltsamer Einrichtung.
    Einige Benediktinerinnen hatte die Gunst der Stunde genutzt, und das Haus nach und nach in ein christliches Zentrum und Kloster umgestaltet. So wie es aussah, war es keine schlechte Entscheidung gewesen.
    Er klingelte an der großen Tür. Kurz darauf ertönten Schritte aus der Eingangshalle und eine zierliche Frau im Habit öffnete ihm.
    »Kay?«
    »Hallo Marie. Lass mich rein, es ist kalt.«
    Sie trat einen Schritt zurück und ließ ihn eintreten. Kay ging an ihr vorbei in Richtung des erleuchteten Glaskastens der Pförtnerloge. Mittlerweile war es nach neun Uhr abends.
    Schwester Marie folgte Kay und bot ihm einen Stuhl an. Er setzte sich und wartete, dass sie es auch tat.
    »Ich kann dir leider keinen Tee anbieten«, sagte die zierliche Schwester. Sie wirkte attraktiv, auch wenn man, bei genauerem Hinsehen, Falten um die Augen und Mundwinkel bemerken konnte. In ihrer Stimme war von den ersten Anzeichen des Alters aber nichts zu hören.
    »Danke, ich wollte ohnehin nicht lange bleiben. Ich bin nur hier, um dir ein paar Fragen zu stellen.«
    »Es geht um Agnes Marberg?«
    »Ja.«
    Schwester Marie nickte, als würde Kay nur ihre Vermutung bestätigen. Wahrscheinlich war es auch genau das. »Sie kam zu Vater Manuel in die Beichte. Ich war zufällig in der Kirche und hörte alles«, sagte sie. »Ich dachte, ihr könntet ihr helfen.«
    »Bist du sicher, dass es sich um einen Vampir handelt?«
    Marie legte den Kopf leicht schief und grinste – und zeigte zwei Reißzähne. »Ich denke, diese Frage darf ich unbeantwortet lassen«, sagte sie milde.
    Kay schmunzelte. »Auf mich wirkt es trotz allem befremdlich. Er lauert lange Zeit auf ihrer Spur, schafft es sogar, in ihre Wohnung einzudringen, und trinkt dann nicht einmal von ihr, als er die Gelegenheit dazu hat. Das macht keinen Sinn.«
    »Vielleicht ist er verliebt?«, riet Marie.
    Kay schüttelte den Kopf. »Dann könnte er auch einfach den konventionellen Weg gehen. Kein Blutsau… kein Vampir verhält sich derart.«
    Maries Lippen pressten sich minimal fester aufeinander, aber Kay war froh, dass sie seine angefangene Beleidigung nicht kommentierte. »Genau aus diesem Grund habe ich sie zu dir und Feng geschickt. Damit ihr herausfindet, was genau auf Agnes aufmerksam geworden ist.«
    »Hast du eine Vermutung?«
    Die Nonne legte abermals den Kopf schief. Diesmal wirkte es nicht neckend, sondern nachdenklich. »Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Es ist das erste Mal, dass ich von so etwas höre und es gefällt mir nicht.«
    Kay seufzte. Er hatte sich Informationen erhofft, aber anscheinend wusste Marie genauso viel, wie er auch. Die ganze Qual des Autofahrens umsonst. Verflucht. »Das heißt also, wir fangen ganz von vorn an.«
    »Habt ihr schon die Vampire aus der näheren Umgebung überprüft?«
    »Noch nicht. Feng wird sich darum kümmern, wenn er Feline in alles eingewiesen hat.«
    »Feline?«
    »Die Tochter einer Hexe – ein Mensch.«
    Schwester Marie schloss die Augen und ihr Gesicht bekam einen verzückten Ausdruck. »Ein Mensch.«
    Kay beobachtete das interessiert. Maries Miene wurde weicher. Allein durch diesen Gesichtsausdruck schien sie Jahrzehnte ihres Alters zu verlieren. »Dann versuchst du immer noch, ein Mensch zu werden?«, fragte er leise.
    Marie öffnete ihre Augen und das Grau darin war dunkel und tief. »Was denkst du, warum ich hier bin? Warum ich den Schleier trage? Irgendwann werde ich den Glauben wieder finden und dann…« Sie atmete tief durch. »Dann erhalte ich meine Seele zurück und darf wieder menschlich sein.«
    Kay schauderte unwillkürlich, als er die feste Überzeugung in Maries Stimme hörte. Er hatte mehrere Jahrhunderte hinter sich gebracht und war Mitglied eines Volkes, welches das Wort Sterblichkeit nicht kannte. Grenzgänger, die viel enger und öfter mit der menschlichen Welt in Kontakt kamen, kannten sie dagegen nur zu gut. Viele wurden im Laufe ihres Lebens mindestens ein Mal darüber wahnsinnig. Einige erholten sich wieder. Andere nicht.
    Das Gerücht, dass es Vampiren gelingen konnte, wieder menschlich zu werden, wenn sie den Glauben fanden, war Kay zu Ohren gekommen, aber bisher hatte er erst einen Vampir getroffen, der es auch wahrhaftig versuchte. So sehr, dass er einem kirchlichen Orden beigetreten war.
    Kay erhob sich. »Danke für deine Hilfe.«
    Marie nickte nur. Kay erhob sich und sein Blick fiel auf

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