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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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Ihrem Lächeln nach freute es sie, dass sie mich hatte überraschen können.
    »Merkt man so sehr, dass ich aufgewühlt bin?«, fragte ich leise.
    »Du hältst dich sehr gut. Aber ich dachte mir bereits, dass du für ein Gespräch herkommen willst.«
    Ich stellte die Tasse auf dem Tisch ab. »Warum hast du mir nichts davon gesagt, Mama?«
    »Ich habe es dir immer gesagt, Schatz. Von klein auf habe ich dir von der Anderswelt und den Kräften um uns herum erzählt. Du hast es für Märchen gehalten. Und als du größer wurdest, hast du es sogar verspottet.« In ihrer Stimme lag ein Hauch Bitterkeit.
    »Es war mir peinlich«, gab ich zu. »Aber warum hast du nie gezaubert? Mir etwas von dem gezeigt, wovon du mir immer erzählt hast?«
    »Gezaubert?« Sie wirkte irritiert. »Aber das habe ich doch immer?!«
    »Ich meinte, etwas wie David Copperfield. Schwebende Jungfrauen oder etwas in der Art.«
    »So etwas gibt es nicht. Was hat Kay dir nur erzählt?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Kay hat mir eigentlich nichts erzählt. Ich habe es von Feng erfahren.«
    Sie sah zur Seite und runzelte die Stirn. »Das ist ungewöhnlich. Ich hatte damit gerechnet, dass Kay dich ein wenig unter seine Fittiche nimmt. Unsereins hatte nie so viel mit den Grenzgängern zu tun.«
    »Unsereins?«
    »Hexen. Zaunreiter. Menschen mit dem zweiten Gesicht.«
    Ich rutschte zurück und verknotete meine Beine in einem Schneidersitz. »Fang von vorne an, Mama.«, sagte ich leise. »Ganz von vorn.«
    Meine Mutter seufzte und rutschte ein auf ihrem Stuhl hin und her als sie nach einem Anfang suchte. »Du weißt von den Grenzgängern und den Fey?«
    »Ich habe gestern Nacht in einem durchgeknallten Nachtclub einen Chinesen gesehen, der sich in einen Drachen verwandelt hat. In einen großen Drachen mit Schuppen, Klauen und Augen die die Größe meiner Handtasche hatten. Und der erzählte mir etwas von Elfen und anderen Dingern die sich seit Jahrhunderten bekämpfen.« Ich seufzte. »Oder sich bekämpft haben. So genau wurde er dann doch nicht. Oder ich habe nicht zugehört. Herrgott, Mama, in einem Moment war er ein sexy Asiate in einem zu engen T-Shirt und im nächsten ein Untier aus einem Märchenbuch! Da hatte ich ganz andere Dinge im Kopf.«
    »Typisch«, brummte sie und schob ihr Haarband zurecht. »Du hättest besser zuhören sollen. Feng tut sich ein wenig schwer, wenn er über solche Dinge sprechen muss.«
    Ich zählte im Kopf bis zehn. Nach den Erlebnissen der letzten Nacht war eine Standpauke über meine unsensible Art einem Drachen gegenüber das Letzte, was ich hören wollte. Zum Glück schien meiner Mutter wichtiger zu sein, dass ich die Fey- und Grenzgängersache verstand, anstatt mich weiter zu rügen.
    »Es gibt Menschen, die stehen zwischen Fey und Grenzgängern«, setzte sie abermals an. »Einige, weil sie von Werwölfen gebissen oder von Vampiren verändert werden, andere, weil sie mit den Fey verkehren.«
    »Und wir?«
    Sie lächelte über meine Ungeduld. »Wir stammen von einer Frau ab, die sich vor Generationen mit einem Seelie-Sidhe, einem Lichtelfen, eingelassen hat.«
    »Lichtelfen, um Himmels Willen.« Ich stöhnte auf und fuhr mir über die Augen. »Das ist schlimmer als ›der Herr der Ringe‹!«
    »Du solltest der Sache den nötigen Ernst entgegen bringen«, mahnte meine Mutter, und schuldbewusst setzte ich mich aufrechter hin. »Sie ließ sich also mit einem Seelie-Sidhe ein«, fuhr sie fort. »Das geht in den seltensten Fällen gut, aber in diesem Fall nahm sie ein wenig Magie mit. Sie starb kurz darauf, aber die Linie blieb erhalten, und auch die ein oder andere Fähigkeit.«
    »Zum Beispiel?«, hakte ich nach.
    »Orakel. Dinge zu sehen, die sonst keiner sieht.«
    »Kann ich das auch?«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf und tätschelte mir bedauernd das Knie. »Du hast auch ein wenig von einem Grenzgänger in dir. Muss wohl von deinem Vater kommen. In seiner Linie gab es mal einen kleinen Unfall mit einem Werwolf. Aber du bist dadurch sozusagen eine neutrale Zone.«
    Mein Vater war kurz nach meiner Geburt gestorben. Lange Zeit hatte ich ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn Leute mir ihr Beileid aussprachen. Dadurch, dass ich ihn nie gekannt hatte, fehlte er mir auch nicht.
    »Wie kam es eigentlich zu diesem Krieg?«, fragte ich und nippte an meinem Tee. Anscheinend war da schon seit Ewigkeiten eine Fehde im Gang und weder die berühmte Zeitung mit den vier großen Buchstaben, noch irgendeine andere Medienstation hatte

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