Grenzgänger
morgen«, sagte Kay, nickte ebenfalls und verließ die Wohnung.
Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012
Kapitel 5
Nach dem Besuch in der Disco hatte Feng mich an meinem Auto abgesetzt und war zurück ins Büro gegangen. Ich war direkt nach Hause gefahren und hatte trotz des Kratzgeräusches in der Wand noch einige Stunden schlafen können. Vielleicht wären es auch ein paar Stunden mehr geworden, wenn mich nicht um acht Uhr morgens das Telefon aus dem Bett geklingelt hätte.
Noch auf dem Weg ins Wohnzimmer, fluchte ich und schwor, von diesem altmodischen Kabelding auf ein schnurloses Telefon umzusteigen. So etwas benutzte heute ohnehin niemand mehr.
»Feline!«
Ich war augenblicklich wach, als meine Mutter mir ins Ohr brüllte. Nicht, weil sie wütend gewesen wäre; sie schien nur der Meinung zu sein, dass man in ein Telefon besonders laut sprechen musste. Immerhin galt es die Strecke von knapp zwanzig Kilometern zu bewältigen.
»Mama, schrei nicht so«, brummte ich und starrte das Telefon an, als wäre das Gesicht meiner Mutter darauf abgebildet.
Tatsächlich wurde der Pegel leiser. Unwillkürlich musste ich lächeln, als ich mir vorstellte, wie meine Mutter sich bemühte die Lautstärke zu dämpfen und gleichzeitig laut genug zu sprechen, so dass ich sie verstand. In diesem Augenblick hatte ich furchtbare Sehnsucht nach ihr. Vielleicht, weil die letzte Nacht so einiges auf den Kopf gestellt hatte. So einiges? Ach was, alles!
In diesem Moment wurde mir erst wirklich klar, was eigentlich passiert war. Ich hatte gestern mit einem Drachen gesprochen. Ich hatte von einem Elfen eine Einladung bekommen, für ihn zu arbeiten. Ich musste mich setzen.
»Schon gut, sei nicht so unleidig«, erwiderte meine Mutter. Ich schloss die Augen.
»Warum rufst du an?«, fragte ich. Am liebsten hätte ich ihr alle Fragen gleichzeitig gestellt, aber irgendwas hielt mich zurück.
»Ich wollte dich fragen, wie es gestern war?«, erklang ihre sanfte Stimme.
»Mama, kann ich vorbeikommen?«
»Natürlich, Schatz.«
Ich spürte, wie ich ruhiger wurde. Ich vereinbarte mit ihr eine Zeit und legte auf, um mit Hilfe einer Dusche und diverser Kosmetikprodukte wieder halbwegs menschlich zu werden.
Der Geruch nach Weihrauch und Kräutern war tröstlich. Kaum hatte ich die Wohnung meiner Mutter betreten, fühlte ich mich ruhiger. Die Stimmung in diesen vier Wänden glich der eines behaglichen Nests, mitten in einem Urwald. Sie hatte mir immer wieder gesagt, dass sie mir zuliebe in der Stadt wohnt. Sie selbst hätte lieber auf dem Land gelebt. Ohne jegliche Art von Strom oder ähnlichem Schnickschnack. Sie hatte Unmengen von Pflanzen in Töpfen, Schalen und anderen Dingen, die ein wenig Blumenerde halten konnten. Egal was für ein Kraut, es gedieh unter ihrem grünen Daumen einfach prächtig. Ich sah den Ficus, dessen Ableger sie mir geschenkt hatte, in der Ecke stehen und seufzte. Ich musste mein Bäumchen mal wieder gießen.
Obwohl es heller Tag war, hatte meine Mutter drei Kerzen angezündet. Sie umarmte mich, nachdem ich meinen Mantel ausgezogen hatte.
»Hallo Mama«, murmelte ich in das rote Haar. Im Gegensatz zu meiner Mähne war die Farbe nicht echt. Sie half ihren braunen Locken mit Henna nach.
»Du siehst müde aus«, tadelte sie mich nach einer genauen Musterung als wäre das meine Schuld. »Setz dich, der Tee zieht bereits.«
Ich schmunzelte müde und ließ mich auf ihr altes Sofa fallen. Mein Blick fiel auf die Kommode gegenüber. Beziehungsweise das, was darauf stand. »Was ist das?«, fragte ich, als sie mit dem Tablett und der Kanne zurück ins Wohnzimmer kam.
»Was denn?«
»Das hässliche Ding auf deiner Kommode«, erwiderte ich mit einem Fingerzeig auf besagtes Objekt.
Sie strahlte. »Ich wusste, du würdest ihn gleich entdecken! Es ist ein Hausgeist!«
Ich kniff die Augen zusammen. Bei dem Hausgeist meiner Mutter handelte es sich um eine Statue, die viel mit einer Kröte gemein hatte.
»Wo hast du ihn her?«
»Ein Geschenk. Na, eigentlich ist es nur ein Symbol«, erklärte sie.
»Ach so, ich dachte schon…«
»Der echte Hausgeist sitzt natürlich am Ofen.«
Ich sah auf das Krötending und entschloss mich, in diesem Fall die Klappe zu halten. Stattdessen trank ich einen Schluck Tee. Er war heiß und schmeckte nach Jasmin.
»Ich hätte darauf gewettet, dass du mir Kamillentee servierst«, sagte ich.
»Kamille beruhigt nur bei körperlichen Beschwerden«, erwiderte meine Mutter.
Weitere Kostenlose Bücher