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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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jemals davon es mitbekommen. So ganz plausibel erschien mir das nicht.
    Meine Mutter schenkte mir nach. »Das weiß ich selbst nicht, mein Schatz«, schmunzelte sie. »Und ich glaube, wenn du Feng und Kay fragen würdest, würden die dir auch keine Auskunft geben. Bei Feng bin ich mir ziemlich sicher, dass er es selbst nicht weißt, und Kay… der hat es wahrscheinlich vergessen.«
    »Die beiden sind schon sehr eigen«, murmelte ich, und dachte an meine neuen Chefs in der Agentur. »Und wie lange ging das so? Warum hat es aufgehört?« Das waren viele Fragen auf einmal, aber sie brannten mir auf der Zunge. Immerhin bekam ich die Sätze einzeln hintereinander heraus.
    Meine Mutter schien nachzudenken, denn ich sah, wie sie an ihrer Unterlippe kaute. Sie sah dadurch aus wie ein kleines Mädchen.
    »Der Anfang liegt schon solange zurück – glaubst du wirklich, es könnte sich noch jemand daran erinnern, wie lange er ging?«, sagte sie und schüttelte den Kopf um ihre eigen Frage zu beantworten. »Lord Oberon oder Elandros müssen es wissen, aber die schweigen.«
    »Wer sind die beiden?«
    »Lord Oberon ist der Herr der Fey. Er führte sie damals auch im Krieg an. Grenzgänger sind zu eigenbrötlerisch, aber sie haben sich doch schlussendlich um einen Anführer namens Elandros versammelt, einen Vampir. Der bot Lord Oberon aber eines Tages, ganz ohne jede Vorwarnung, einen Friedensvertrag an.« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Es war unglaublich, wie schnell es vorbei war! Zumindest der Krieg selbst. Aber die Nachwirkungen waren und sind noch immer zu spüren. Ich habe es damals mitbekommen. Zwar war ich noch ein Kind, aber Kay hat mir damals gezeigt, wie es war.«
    »Solange kennst du ihn schon?« Das verblüffte mich nun doch.
    »Er war bei mir, seit ich das erste Mal die Anderswelt gesehen habe. Er hat mir erklärt, wie wichtig der Frieden ist.«
    Oho? Das klang aber gar nicht nach dem unterkühlten Mann im Büro.
    »Was ist mit Feng?«, hakte ich nach. »Wie kam er dazu?«
    »Elandros schickte ihn zu Kay. Er gehörte damals zu dessen Vertrauten, und für ihn war es wohl so etwas wie ein Zeichen zum guten Willen. Glücklich war Feng darüber nicht.«
    »Dafür harmonieren die beiden aber sehr gut miteinander«, erwiderte ich.
    »Sie hatten auch genug Zeit dafür.«
    Ich seufzte und sah in meine Teetasse. »Du hast gerade gesagt, ich wäre eine ›neutrale Zone‹. Was heißt das für mich?«
    »Dass du so sehr Mensch bist, wie man nur sein kann. ›Normale‹ Menschen laufen durchaus Gefahr von der ein oder anderen Partei benutzt zu werden. Aber da du etwas von allen drei Seiten in dir trägst, bist du immun gegen fast Alles.«
    Ich lächelte schwach und trank noch einen Schluck Tee. Das war ja mal eine gute Nachricht. »Ich bin also die Schweiz.«
    »So etwas in der Art.« Meine Mutter lächelte verschmitzt.
    »Und du hast mich zu Kay und Feng geschickt, damit ich lerne, was ich mit meiner diplomatischen Unabhängigkeit anstellen soll?«
    »Das, und weil ich nicht mehr mit ansehen konnte, wie du in deinen vier Wänden vor dich hinvegetierst.«
    Es klang ehrlich, aber ich hatte nicht so eine lange Zeit mit meiner Mutter verbracht, ohne sie zu kennen. Irgendetwas hatte für einen Augenblick ihre Miene verzogen. Sie log ungern.
    »Was ist da noch, Mama?«
    »Nichts, Schatz. Bohr nicht.«
    Ich sah sie misstrauisch an, unterließ es aber nachzuhaken. Bisher hatte ich ihr vertrauen können, auch wenn die Enthüllung, dass sie mir ein Leben lang all diese »Kleinigkeiten« meine Herkunft betreffend vorenthalten hatte, diesem Vertrauen doch einen leichten Stoß versetzt hatte.
    »Ich hoffe, du hast zugesagt, den Job anzunehmen?«
    Ich nickte. »Du hast Recht. Ich kann nicht nur herumhängen und warten, dass der Hartz-IV Bescheid ins Haus flattert. Und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich sehr neugierig auf das, was diese beiden Kerle bei »Triskelion« mir noch erzählen werden.«
    »Das kannst du auch sein.« Sie strahlte mich an. »Diese Welt enthält noch so viel für dich. Du solltest es genießen.«
    Als ich wieder ging, bestand meine Mutter darauf, mir die hässliche Krötenstatue mitzugeben. Vielleicht weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Ich verstaute das Ton-Ding im Kofferraum und fuhr in meine Wohnung. Feng hatte mich erst für den Nachmittag ins Büro bestellt und bis dahin hatte ich noch etwas Zeit.
    An der Haustür stoppte ich und sah zu meinem Wagen. Diesmal war ich es, die ein schlechtes Gewissen hatte.

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