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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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fröstelte plötzlich. »Ist denn jemand hier in der Wohnung?«
    »Niemand, der dir böses will. Denke ich zumindest«, brummte er.
    »Denkst du?«
    »Ich bin vielleicht göttlich, aber nicht allwissend.«
    »Ich dachte immer, göttlich sei allwissend. Oder macht es dir einfach Spaß, den Klugscheißer zu spielen?«, murmelte ich, aber Samhiel hatte feine Ohren.
    »Ich habe ein leicht verletzbares Ego«, erwiderte er und wog die Statue in der Hand. »Soll ich dir jetzt helfen, oder nicht?«
    Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, um nicht zu lachen. Ein Engel mit Ego! Er war – wenn es stimmte, was ich gelesen hatte – einer von Gottes ersten Dienern, aber gerade benahm er sich wie ein stinknormaler Mann, dem nicht passte, was ich ihm an den Kopf warf. Zugegeben, besonders freundlich war es nicht gewesen. Aber so übel schien er es auch nicht zu nehmen, sonst wäre da nicht dieses spitzbübische Schmunzeln.
    »Okay, hilf mir«, lenkte ich ein. »Aber vorher würde ich mich trotzdem gern anziehen.«
    »Tu dir keinen Zwang an.« Er ging mit der Statue in der Hand auf den Flur. Dort raschelte er mit irgendetwas. Ich bekam es nur mit halbem Ohr mit, weil ich hastig in Hose und Bluse schlüpfte. Nach kurzer Überlegung ließ ich einen Knopf mehr offen als sonst. Auch wenn Samhiel nicht durfte, aber ein bisschen aufhübschen konnte ich mich schon.
    Als ich ins Wohnzimmer kam, sah ich Samhiel, wie er, die Kröte noch in der Hand, vor meinem Ficus Benjamini hockte. »Das ist der Übeltäter.«
    Ich blieb in der Tür stehen. »Mein Ficus?«
    »Dein Hausgeist.«
    Schade, so ein schöner Mann und trotzdem bescheuert. Mein Pech.
    Samhiel setzte die Statue auf dem Tisch ab, den ich vor Jahren von einem Flohmarkt mit Hilfe diverser Freunde nach Hause gewuchtet hatte. Das Ding war massive Eiche.
    Er nahm den Topf des Ficus’ und setzte die Pflanze daneben. Ich beobachtete ihn immer noch skeptisch. Drachen – in Ordnung. Elfen – auch okay. Engel – meinetwegen. Aber wenn er jetzt wirklich von mir wollte, dass ich glaubte, einen Geist in meinem Ficus zu haben, hatte er sich geschnitten.
    Ich zupfte an einigen Blättern des Bäumchens. »Und wieso hast du die Statue neben mein Bett gesetzt, hm? Willst du mehr Licht? Aufmerksamkeit? Eine andere Düngersorte?«
    »Eigentlich wollte ich dich nur darauf hinweisen, dass da etwas in deiner Wand lebt, du blödes Huhn«, antwortete der Ficus.
    Mir stand der Mund offen und ich sah zu Samhiel, um zu schauen, ob er das Gleiche gehört hatte, oder ob er vielleicht ein talentierter Bauchredner war. War er nicht. Er lachte nämlich leise als der Ficus weitersprach.
    »Du hast mich schon verstanden. Ich wollte dir nur helfen. Das ist meine Aufgabe.«
    »Was?«, ich war immer noch fassungslos.
    »Heute ein bisschen langsam?«
    »Hey! Ich bin immerhin diejenige, die jeden Tag mit der Kanne kommt!«
    »Das Wasser ist viel zu kalt.« Die Stimme des Ficus klang wie die eines Kindes, was vielleicht auch zutraf. Ich meine, woher sollte ich wissen, wie alt so ein durchschnittlicher Ficus war? Ich wusste nur, dass meiner im höchsten Grad beleidigt wirkte. Samhiel mischte sich ein.
    »Sie ist nicht so bewandert im Umgang mit Euresgleichen«, sagte er sanft.
    So langsam musste ich es mir wirklich abgewöhnen, ständig Gänsehaut zu bekommen, wenn er sprach. »Bisher war es auch nie vonnöten. Aber seit das Totem hier angekommen ist, hat sich vieles geändert«, erwiderte die Pflanze.
    Samhiel verengte leicht die Augen. »Was wolltest du ihr zeigen?«
    Er schien das Thema schnell wechseln zu wollen. Ich sah erst zu ihm, dann zu meiner Zimmerpflanze. Oder dem, was ich bisher für meine Zimmerpflanze gehalten hatte.
    »Ein Fey-Opfer. Sie muss die Wand öffnen«, sagte die Kinderstimme des Bäumchens ernst. Ich sah in Richtung des Schlafzimmers, das genau auf der gegenüberliegenden Seite der Wand lag.
    »Was meinst du damit?«, fragte ich um mich irgendwie in das Gespräch einzuhaken.
    Das Bäumchen schüttelte sich, als würde ein kalter Wind durch die dünnen Blätter fahren. »Es ist etwas Krankes. Was genau, weiß ich auch nicht. Aber spürst du es nicht? Den Wahnsinn? Er ist so dick, dass man ihn schon schmecken kann.«
    Ich sah auf den Ficus. »Wieso hast du nie etwas gesagt?«
    »Es war nicht nötig, das sagte ich doch schon. Außerdem bist du keine Hexe – warum sollte ich mit dir reden? Ich bin nur zu deinem Schutz da, das ist alles, was ich tun soll.«
    »Wer hat dir das

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