Grenzgänger
Kaffee. Die kleinen Dampfschwaden schienen sich einen Augenblick lang zu Mustern zu finden, ehe sie wieder den physischen Gesetzen folgten, und in die Richtung davon schwebten, in die Fengs Atem sie blies. »Doch, natürlich.«
»Dann lass das narrenhafte Grinsen.«
»Natürlich, mein Herr.«
Kay stöhnte entnervt auf. Dann stutzte er. »Herr… einer von uns muss zum Herrn des Leids gehen!«
»Was?« Feng vergaß glatt, aus seiner Tasse zu trinken.
»Du hast mich schon verstanden.«
Feng sah düster in seinen Kaffee. »Du weißt, was es kostet, wenn man ihn um Hilfe bittet. Und mein Hals tut noch vom letzten Mal weh. Geh du.«
»Ich kann nicht. Er mag mich nicht. Aber für dich scheint er ein besonderes Faible zu besitzen.«
»Du bist derjenige, der sich auch mit Männern einlässt«, protestierte Feng. Er würde nicht freiwillig noch einmal da hineingehen!
»Wie gesagt, er mag mich aber nicht. Und unseren Neuzugang willst du doch nicht schicken, oder?«, fragte Kay gespielt entrüstet.
»Verdammter Mistkerl!« Feng verdrehte die Augen und knurrte Kay an, der aber nur lächelte.
»Ich fahr dich auch. Der Sprit ist so teuer geworden, da solltest du froh sein, wenn du was sparen kannst«, erwiderte der Fey.
»Du hast nicht einmal ein Auto!« Feng stand auf und zog sich einen schwarzen Sweater über, auf dessen Vorderseite der Schriftzug »Not the end of it« prangte. Der Drache hätte in seiner Aufmachung nicht gegensätzlicher zu Kay sein können, der einen einfachen beigefarbenen Anzug mit roter Krawatte trug. Feng hob sich mit Absicht von seinem Partner ab. Zum einen liebte er es bequem und sportlich, zum andere neigten Klienten und Fremde deswegen dazu, ihn zu unterschätzen. Er hatte gerne alle Vorteile auf seiner Seite.
»Stimmt. Nehmen wir deinen Wagen.« Wäre Kays Miene nicht so ernst gewesen, hätte man fast vermuten können, dass er Feng aufzog. Fast.
Als sie sich auf den Weg machen wollten, klingelte Kays Handy. Feng konnte nicht verstehen, wer es war, aber es musste eine weibliche Person sein, denn das Kreischen, am anderen Ende der Leitung, war zum einen sehr hoch und zum anderen so laut, dass selbst er es hörte. Einzelne Worte waren nicht auszumachen, aber da ging es ihm wohl nicht besser als Kay. Der hatte das Handy vor Schreck gleich fallen lassen und beeilte sich, es aufzuheben. Hastig drückte er auf das rote Telefonsymbol auf den Tasten.
»War das Feline?«
Kay sah das Handy an, als würde es jeden Moment wieder losschreien. »Es klang nicht nach ihr, aber es war ihre Nummer. Fahren wir lieber hin.«
Feng widersprach nicht und anstatt wie geplant ins Bordell zu fahren, raste er mit hoher Geschwindigkeit zu Felines Wohnung.
Als sie klingelten, wurde sofort der Summer gedrückt. Kurz darauf standen sie auch schon vor der Wohnungstür in der zweiten Etage. Kay trat ein und Feng schloss die Tür hinter ihnen. In diesem Augenblick tauchte Feline wie aus dem Nichts auf und stürzte sich auf Kay. Der Sidhe war dermaßen überrascht, dass er nicht einmal den Ansatz machte, sich zu wehren.
»Du Mistkerl!«, schrie sie und schlug ihm ins Gesicht. Kay starrten die Furie vor sich fassungslos an und Feng ging es ähnlich. Er hätte nicht gedacht, die junge Frau jemals so aufgebracht zu sehen. »Wie könnt ihr spitzohrigen Bastarde nur …«
Bevor sie weitersprechen konnte, kam ein Mann aus dem Wohnzimmer und fasste sie um die Schulter, um sie von dem Fey wegzuzerren »Beruhig dich endlich«, sagte er laut.
Kay strich sich über die Wange und betrachtete seine Fingerspitzen. Feng blickte ihm über die Schulter und sah rotes Blut schimmern. Feline hatte Kay mit ihrem Fingernagel erwischt und die weiße Haut angeritzt.
»Wovon sprichst du?«, fragte der Fey trotzdem ruhig.
Feline, die jetzt nicht mehr versuchte, sich aus dem Griff des Fremden zu winden, funkelte Kay wütend an. »Sieh es dir selbst an! Da!«
Sie deutete anklagend auf das Schlafzimmer und nahm den Arm erst wieder nach unten, als Kay vorsichtig hineinging. Feng folgte ihm mindestens genauso vorsichtig. Der Geruch, der ihnen entgegenwehte, schlug jeden Gestank, den der Drache in seinem Leben jemals gerochen hatte, um Längen. Es war Wahnsinn, seit Jahrzehnten kultiviert, gepaart mit Verfall und verrottetem Fleisch. Feng schlug die Hand vor den Mund.
Auf dem Bett lag eine lange dürre Gestalt, die ihnen aus hohlen Augen entgegenblickte. Fleisch war kaum noch auf den Knochen, nur noch pergamentartige Haut, die den Blick auf
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