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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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gesagt.«
    »Arien.«
    Ich atmete tief ein. Natürlich. »Und wieso die Statue?«
    »Denkst du, es wäre halb so beeindruckend gewesen, wenn dein Ficus plötzlich neben deinem Bett steht, anstelle eines hässlichen Totems?«
    »Nein«, gab ich schnippisch zu.
    »Siehst du.«
    Samhiel drehte wieder die Statue zwischen seinen Händen. »Sie ist wirklich hässlich.«
    »Das hilft mir nicht«, erwiderte ich gereizt und sah weiter auf den Ficus. »Also hat meine Mutter dich für mich gekauft und dich dann… reingehext? Oder wie muss ich das verstehen?«
    Der Ficus raschelte wieder mit den Blättern. »Sie hat mich als Setzling von einer größeren Pflanze genommen«, erklärte er so langsam wie möglich, als wäre ich beschränkt. »Es brauchte Sonne, Wasser und Zeit, um mich wachsen zu lassen. Während ich wuchs, erzählte sie mir jeden Tag von dir. Wie stolz sie war und wie kostbar du seist. Jeden Tag, bis ich deinen Namen kannte und – was wichtiger war – was du Arien bedeutest.«
    Ich musste mich setzen, als ich das hörte. Meine Mutter hatte also tatsächlich mit ganzer Hingabe dieses Bäumchen großgezogen und nur, weil sie an mich gedacht hatte, und sich sorgte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
    Samhiels Hand legte sich warm auf meine Schulter und ich schloss die Augen. Vor Publikum wollte ich nicht weinen.
    »Komm«, sagte er leise. »Lass uns im Schlafzimmer nachsehen, was der Hausgeist meinte.«
    Ich nickte fahrig und stand auf. Samhiel ließ den Arm um meine Schulter und ich ließ zu, dass er mich ins Schlafzimmer führte. Da wir nicht sprachen, war es still. Und wieder hörte ich die Kratzgeräusche hinter der Wand und das leise Pochen. Jetzt, nachdem ich wusste, dass die Geräusche einen anderen Ursprung, als eine defekte Leitung oder Ratten hatten, spürte ich eine tiefliegende Angst.
    »Kannst du die Wand öffnen?«, fragte ich Samhiel angespannt.
    »Ja.«
    Er hob den Arm, aber ich hielt ihn zurück. Das Kratzen war zu einem lauten Pochen geworden. Als hätte das, was sich hinter der Mauer verbarg, gehört, dass es nun befreit werden sollte.
    »Was meinte der Ficus, als er sagte, ein Fey-Opfer? Kann es uns gefährlich werden?«
    »Du weißt von den Kriegen?«
    Ich nickte. Samhiel sah zu der Wand, hinter der das Pochen und Kratzen nun fast unsere Worte übertönte.
    »Stell dir zwei Parteien vor, die mehrere Jahrhunderte Zeit haben, sich auszudenken, wie sie einander am effektivsten schaden können. Lediglich töten ist zu einfach. Wenn mehrere Jahrhunderte zur Verfügung stehen, dann ist Schmerz besser. Und er wird immer schlimmer, je älter man wird. Die Grenzgänger töteten damals die Kinder der Fey. Nachwuchs ist bei den Fey sehr rar und jeder Verlust eines Babys extrem schmerzhaft. Die Fey vergolten es auf ihre Weise.«
    Mein Blick huschte zwischen der Wand und Samhiel hin und her. Seine Erzählung erschien mir grausam. Als Feng von Krieg gesprochen hatte, hatte ich nicht wirklich begriffen, was er damit meinte. Vielleicht hatte ich mir Scharmützel nach Art irgendwelcher historischen Filme vorgestellt. Aber nach all den Nachrichten, nach täglichen neuen Gräuelgeschichten vom Elend dieser Welt und ihrer Kriege, hätte ich es besser wissen müssen. Wenn Menschen sich schon schlimme Dinge antaten, warum sollten übernatürliche, übersinnliche Wesen eine Ausnahme sein?
    Samhiel befreite sanft seinen Arm. »Bereit?«
    »Ja.«
    Er beschrieb mit der Hand einen weiten Bogen. Die Ziegel verschwanden und gaben den Blick auf das frei, was dahinter lag. Ich sah es an. Und schrie.
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

Kapitel 11

    Feng rieb sich über die Schläfen. Es war eine lange Nacht gewesen und auch Kay sah nicht besser aus als er selbst. Unter seinen grünen Augen waren dunkle Schatten.
    »Wie lange warst du gestern noch vor Agnes’ Tür?«, schoss Feng ins Blaue.
    Kay rieb sich über das Nasenbein. »Bis heute Morgen.«
    Feng verkniff sich eine Bemerkung über die unverhältnismäßig lange Wache. »Und, ist er wieder aufgetaucht?«
    »Nein. Ich habe nicht einmal etwas umherschleichen sehen.«
    »Gut. Oder nicht gut. Man kann es von zwei Seiten sehen.«
    »Kann man. Allerdings heißt es im Augenblick, dass wir absolut keinen Ansatzpunkt habe, was den Mörder des Kappa angeht. Und ich will wissen, wer Agnes das angetan hat«, erwiderte Kay ungewöhnlich düster.
    »So, möchtest du?«
    »Du nicht?«, fragte der Fey.
    Feng lächelte und blies in seinen schwarzen

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