Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
Loran drehte sich herum und musterte den Hohen Rat. Seine Miene war gelassen, als würde er nicht gefangen in seiner eigenen Halle stehen und hätte zugesehen, wie seine Gemahlin gefoltert wurde. Molyu jedoch musterte mich prüfend, ließ ihren Blick über die Kristallkugel des Jenseits und die Ketten gleiten, während Wyln Pellan betrachtete. Seine Miene war ruhig, aber seine Augen loderten. Der Kommandeur runzelte die Stirn und wollte auf ihn zugehen.
»Lasst sie, Pellan«, unterbrach ihn Ilenaewyn. Der Kommandeur blieb stehen. »Sie sind machtlos.« Er achtete nicht weiter auf uns, sondern musterte die anderen Ratsmitglieder am Tisch. »Sind wir bereit?«
Die Ratsmitglieder nickten bejahend.
»Gut.« Ilenaewyn sah Pellan an. »Bringt sie herein.«
Pellan gab ein Zeichen, und die Wachen öffneten die andere Tür zur Halle. Lord Gherat ibn Dru und Botschafter Kenalt kamen herein. Erzdoyen Obruesk lächelte, verbeugte sich leicht vor Kanzlerin Berle und ging dann zu den beiden an das Podest.
Ich ignorierte meinen eisernen Kragen, warf den Kopf zurück und lachte schallend. »Narren!«, rief ich. »Dreimal verfluchte Narren!« Ein Wachsoldat schlug mir ins Kreuz, und ich krümmte mich vor Schmerz, während mir die Tränen vor Lachen über die Wangen liefen.
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Diesmal riss Kanzlerin Berle vor Staunen den Mund auf, als sie Gherat, Obruesk und Kenalt anstarrte, die sich vor dem Rat aufbauten und aus deren Haltung klar ersichtlich war, dass sie sich als willkommene Gäste fühlten.
»Tja, Berle«, meinte Javes, der sein Lorgnon gerettet hatte, das er jetzt an sein unversehrtes Auge hob. »Ich dachte, Sie wären die einzige Überläuferin hier.«
»Sie wirken ein bisschen mitgenommen, Javes«, meinte Gherat und lächelte. »Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich, wo Sie doch sonst immer wie aus dem Ei gepellt sind.« Er sah Lord Esclaur an und schüttelte den Kopf. »Sie sind auch ein wenig zerzaust, Esclaur. Hatten Sie einen harten Tag?«
»Was …?« Die Kanzlerin unterbrach sich und nahm dann einen zweiten Anlauf. »Mylords«, ihre Stimme klang rau, »was geht hier vor?«
»Ist das nicht offensichtlich, Berle?«, lispelte Esclaur mit seiner geplatzten, blutenden Lippe. Obwohl ein Arm gebrochen war, hob er mit dem anderen sein eigenes Lorgnon, das er ebenfalls gerettet hatte, und betrachtete das Trio vor dem Podest. »Sie wurden aufs Kreuz gelegt, sozusagen.«
Ilenaewyn, der mit den anderen Ratsmitgliedern konferiert hatte, hob den Kopf. »Was hier vor sich geht, Kanzlerin, ist eine Untersuchung aufgrund der Anklage, dass diejenigen, die Jusson von Iversterre nahestehen, mit seinem Wissen und seiner Zustimmung am Mord und an der Versklavung des Volkes beteiligt waren.«
»Aber ich …« Berle schluckte und setzte erneut an. »Ich habe Euch doch alles über Dru erzählt, und auch, dass der König nichts davon wusste.«
»Das habt Ihr allerdings«, antwortete ein Gnom und strich sich über seinen Bart. »Aber wir glauben Euch nicht.«
Gherat lächelte herzlich.
»Priester Obruesk und Gherat von Dru haben beide vor dem Rat ausgesagt, wie der Menschenkönig zum ›Wildern‹ als Sport und um des Profits willen ermuntert hat«, sagte eine Quellnymphe, die Wasserlilien trug. Sonst nichts. Sie sah mich an. »Wie sie ebenfalls bezeugt haben, dass er Hase Zweibaums’sohns Hexereien unterstützt hat.«
»Ein Hexer«, sagte Kenalt schockiert. Er sah Suiden an. »Mein lieber Cousin, was hast du da nur getan, hm? Und alles nur wegen einer Konkubine, hm? Wenn du deinen Fehler doch zugegeben und den Amir um Verzeihung gebeten hättest!« Er schüttelte den Kopf, und die Perlenschnüre in seinem Haar klackten. »Aber jetzt! Freund von Schwarzmagiern und anderen Bösewichten. Und dazu noch ein Schmuggler! Wo du doch einst der Erbe des Reiches warst.«
Suiden sagte nichts, sondern sah seinen Cousin nur mit seinen grünen Augen an.
Kenalt wandte sich an den Rat und verbeugte sich, während er mit den Händen herumfuchtelte. »Sroene, es tut mir außerordentlich leid, berichten zu müssen, dass Prinz Suiden mittels rücksichtsloser Geschäftspartner Waren und Sklaven, die aus den Grenzlanden entwendet wurden, auf unseren Märkten verkauft hat. Dem wurde Einhalt geboten, und der Amir ist dabei, die Übeltäter zu verfolgen und einer gerechten Strafe zuzuführen.«
»Danke, Botschafter Sro Kenalt«, sagte Ilenaewyn. »Folglich ist klar, dass das menschliche Königreich uns erneut mit einer so ungeheuren Brutalität
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