Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
vernichten, was ich seit Monaten für tot gehalten hatte.
Aber bevor ich mich bewegen konnte, nutzte Wyln die Unaufmerksamkeit des Toten aus, sprang vor und rammte ihm sein Schwert durch den Bauch. Rodolfos Kopf ruckte zu dem Zauberer herum. Sein Todesgrinsen spannte sich an, als der Leichnam das Flammenschwert packte und es mitsamt Wyln festhielt, während er mit der anderen Hand sein Eisschwert schwang. Die Klinge zuckte jedoch über Wylns Kopf hinweg, weil der Zauberer auf ein Knie gesunken war, den anderen Fuß vorstreckte, den Schwertgriff mit beiden Händen packte und ihn zur Seite riss. Er durchtrennte den Leichnam beinahe.
Flammen loderten aus der klaffenden Wunde, während Rodolfo taumelte; er bewegte sich ungelenk und ruckartig wie eine Marionette. Erneut hob der Leichnam sein Schwert gegen Wyln, doch der war längst aufgesprungen und führte erneut den gleichen Schlag aus wie zu Beginn des Kampfes. Sein Feuerschwert zog eine Flammenspur, als es herumwirbelte und Rodolfos Hals durchtrennte. Der Kopf des Toten fiel herunter, und der enthauptete Torso schien einen Moment zu erstarren, bevor er zusammenbrach, wie eine Marionette, deren Fäden man durchgeschnitten hatte.
Einen Moment herrschte Stille, dann ertönte ein langer, kollektiver Seufzer. Ich sah mich um. Die Städter waren auf den Platz geströmt. Ich bemerkte, dass ich meinen Stab immer noch erhoben hatte, und senkte ihn rasch, was ganz gut war; denn ich benötigte dringend etwas, worauf ich mich stützen konnte, weil meine Knie weich wurden. Dann sah ich zur Kirche. Das Feuer hatte zwar das Eis auf den Türen geschmolzen, aber der Dampf verhüllte den Eingang und wehte in dünnen Schwaden die Treppe hinab, wie Finger, die nach dem Boden greifen. Wir würden über diese Treppe und durch diese Türen gehen müssen, wenn wir Doyen Dyfrig und seine Schreiber Keeve und Tyle suchen wollten. Oder das, was von ihnen übrig geblieben war.
Jusson trat zu Rodolfos körperlichen Überresten und stieß mit dem Schwert gegen den kopflosen Torso. Als der nicht mehr zuckte, drehte er sich um und blickte ebenfalls zur Kirche hinauf. Einen Moment sah ich, wie die Schultern des Königs zusammenfielen, dann straffte er sich und hob das Kinn. »Wir müssen hineingehen … aber nicht du, Hase«, sagte er, als ich Anstalten machte, die Königstreuen zu sammeln.
»Mir geht es gut, Euer Majestät«, protestierte ich.
»Das ist schön, aber du gehst trotzdem nicht hinein. Wie bereits gesagt wurde: Die Toten zeigen entschieden zu viel Interesse an dir.«
Jusson organisierte persönlich einen Suchtrupp, bestehend aus seinen Königstreuen, den Adligen, Wyln, Chadde und einigen der mutigeren Ratsältesten, die sich nach vorn gedrängt hatten. Ich fühlte mich zwar erleichtert, weil ich sie nicht begleiten musste, aber die Furcht überwog. Es war sehr zweifelhaft, dass Dyfrig, Keeve oder Tyle noch lebten, und selbst in diesem Moment konnten ihre Leichen von dem kontrolliert werden, was auch Rodolfos Kadaver Leben eingehaucht hatte.
»Vielleicht sollten wir uns um die Verletzten kümmern«, schlug Jeff vor und legte seine Hand auf meine Schulter.
Das war eine gute Ablenkung. Ich nickte und ging zu der Stelle, wo Laurel und einige Stadtbewohner den verwundeten Bannerträger und den Adligen versorgten. Laurel hob den Kopf, als Jeff und ich uns ihm näherten, und sah mich anerkennend an, während ich hörte, wie Jusson hinter mir den Suchtrupp die Treppe hinaufführte. Die Stiefel des Königs knirschten auf dem Eis, das die Steine überzog.
»Hast du gesehen?«, fragte Jeff. »Dass Rodolfo plötzlich wie Slevoic aussah?«
»Hab ich«, antwortete ich müde.
»Aber der Scheußliche ist doch tot!«
Ich dachte an Slevoics abgewürgten Schrei in dem verzauberten Wald und an Reiter Ryson, der mit dem blutverschmierten Wappenrock des Scheußlichen aus den Bäumen herausritt. »Schon, aber das war Rodolfo …« Ich blieb unvermittelt stehen, als mir die Frage durch den Kopf schoss, wieso nach dem zweiten Tod des Schauspielers immer noch überall Eis war. Ich runzelte die Stirn, begegnete Laurels Blick, und beide sahen wir zur Kirche. Wo Wyln, der hinter Jusson ging, ebenfalls nachdenklich auf den Boden blickte. Der Zauberer hob den Kopf und sah am König vorbei auf das Kirchenportal. Eine Feuerkugel bildete sich an der Schulter des Zauberers, und in dem Licht, das sie warf, sah ich die schwache Reflektion auf dem Holz der Türen …
»Er bewegt sich!«, schrie jemand.
Ich
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