Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
wurden auf die Scheiterhaufen gelegt und mit Kienspänen und Lappen bedeckt. Jemand leerte einen Ölkrug über ihnen, dann wurde eine Zunderbüchse angeschlagen, und die Funken fielen auf den ölgetränkten Scheiterhaufen. Winzige Flammen züngelten hoch, und im selben Moment fuhr ein Windstoß herab, umwehte Dyfrig und ließ die Glocken an seinem Amtsstab bimmeln.
»Hase!«, sagten alle unisono.
»Das bin ich nicht!«, erwiderte ich.
Der Wind wehte über den Scheiterhaufen, ließ die Flammen hochschlagen, als würden sie von einem Blasebalg angefacht. Weißer Rauch quoll empor. Dyfrig jedoch ignorierte seinen Aspekt, selbst als der Wind an seinen Roben zupfte. Er trat langsam, als würden ihm alle Knochen wehtun, vor die Scheiterhaufen. Die Städter drängten sich heran und bildeten eine Wand aus Trauernden, die sämtliche Auswärtigen ausschloss, auch mich und Jeff. Und den König. Aber keiner von uns protestierte. Jusson nickte, und wir wichen zurück, um ihnen Platz zu machen, als Dyfrig die zeremoniellen Gebete für die Toten anstimmte.
»Wie wir in die Welt kommen, so verlassen wir sie …«
Trotz seines zerbrechlich wirkenden Äußeren trug die Stimme des Doyen über den ganzen Platz, obwohl er mit dem Heulen des Windes wetteifern musste.
»Was?«, fragte ich leise.
Aber der Luftaspekt antwortete nicht. Stattdessen wehte der Wind stärker und pfiff klagend durch die Lücken zwischen den Häusern.
»Jetzt ist nicht die Zeit für Zeichen und Wunder, Hase«, sagte Jusson, ebenfalls sehr leise. »Kontrolliere es.«
Ich war bereits zu demselben Schluss gekommen und streckte die Hand aus. Der Wind umwehte mich, und seine Kraft peitschte mir einige abtrünnige Haarsträhnen, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten, ins Gesicht. Aber statt sich zu einer Kugel über meiner Schulter zu sammeln, flog er zu Dyfrig und schwebte über dessen Schulter. Wyln drehte sich um und starrte mich fragend an. Laurel ebenso.
»Was ist passiert?«, flüsterte Jeff staunend.
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. Ich kam mir dumm und irgendwie ein wenig beraubt vor, als ich die Hand sinken ließ. In der Ferne, gerade noch wahrnehmbar, hörte ich ein Rauschen, als würden sturmgepeitschte Brecher an einen Strand schlagen. Besorgt trat ich dichter an Wyln und Laurel heran. »Vielleicht braucht Dyfrig ihn dringender.«
»Feuer und Erde sind schwach gegen das Wasser, und ihre Schutzzauber versagen«, sagte Wyln leise zu Laurel. »Und die Luft versagt ebenfalls. Der Bolzen hat Hase getroffen, Laurel.«
Laurel fuhr sich mit einer Tatze durch seinen Kinnbart und blieb einen Moment stumm. Dann schüttelte er den Kopf. »Es sind Märchen, die man den Kindern zum Einschlafen erzählt«, brummte er leise. »Fantastische Geschichten aus dem Zeitalter der Legenden …«
»Glaubt Ihr, ein Wasserhexer hätte so etwas bewirken können?«, unterbrach Wyln ihn. »Der Schauspieler wurde nicht bei einem dauthiwaesp ermordet. Dennoch hat dieser Hexer seinen Körper kontrolliert wie ein Erdmeister, der zu einem Nekromanten wurde, und Euch getrotzt, der Ihr sowohl Erdmeister als auch Anführer der Faena seid. Er hat Der Lady durch Euch, Ihren bevorzugten Schamanen, getrotzt. Er hat Euch getrotzt und obsiegt.«
Chadde war zu uns getreten und sah uns jetzt fragend an. »Was für einen Unterschied macht es, ob es Feuer, Wasser, Erde oder Luft ist?«, meinte sie. »Hexerei ist Hexerei, oder nicht?«
»Es gibt gewisse Fähigkeiten, die an die jeweiligen Aspekte gebunden sind, ehrenwerte Friedenshüterin«, erwiderte Laurel. »Wenn jemand, der über die Gabe verfügt, aus der Balance gerät, dann wird auch sein Aspekt unausgewogen. Aber …«
»Aber trotzdem kann jemand mit einem Aspekt nicht plötzlich die Fähigkeiten eines anderen besitzen«, mischte sich Wyln erneut ein. »Wasser ist der Sturmbringer, der fröhliche Taschenspieler, der Meisterarchitekt, der Richter, der Hüter von Zeit und Maß, der Herr der Illusionen, Spiegelbilder und Träume. Er hat nichts mit dem Erdzyklus des Lebens zu schaffen: Fruchtbarkeit, Geburt, Heilung, dem Sterben und den Toten. Die Toten, Faena, die Der Lady …«
»Ich weiß nichts über heidnische Gottheiten und Wasserhexer«, mischte sich Ranulf ein. Seine Stimme war mehr ein Krächzen als ein Flüstern. »Aber mir will scheinen, dass Meister Rodolfo hinter unserem Zauberlehrling her war.«
»Womit der Beweis erbracht wäre«, sagte Wyln, dessen Augen loderten, als er Laurel anblickte.
»Beweis?«, fragte
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