Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
der Kirche, aber bis auf einige Pfützen, die zeigten, wo Rodolfo entlanggegangen war, gab es keinerlei Spuren von Zerstörung, jedenfalls keine, wie wir sie im Totenhaus vorgefunden hatten. Trotzdem wich ich zurück, als ich den nassen Altar sah, und die Klammer um meine Brust wanderte zu meiner Kehle, sodass mir jeder Atemzug schwerfiel. Es konnte durchaus so sein, wie Wyln in dem verlassenen Lagerhaus gesagt hatte: Ich spürte die Nachwirkungen, nachdem einer meiner Aspekte für Schwarze Magie benutzt worden war, um einen Toten zum Leben zu erwecken. Aber am schlimmsten schmerzte mich, dass Keeve und Tyle noch am Leben wären, wenn ich nicht die falsche Richtung eingeschlagen hätte.
Nachdem die Suche beendet war, scheuchte Jusson uns alle hinaus, und die Stadtwachen schoben die aufgesprengten Flügel des Hauptportals zu. Dann träufelte der König heißes Wachs über den Spalt und drückte seinen Siegelring hinein, um den Zugang zur Kirche zu versiegeln. Es war nur eine Geste und als solche nicht in der Lage, jemanden oder etwas daran zu hindern, die Kirche zu betreten, wenn er oder es dies unbedingt wollte, aber ich fühlte die Bindung ebenso stark, wie ich die Schutzzauber um das Totenhaus gespürt hatte.
Zu meiner Überraschung hatte Rodolfo um die Sakristei einen großen Bogen gemacht. Trotzdem beschlossen Jusson und die Ratsältesten, sie auszuräumen. Der König führte uns die Treppen hinab und trug persönlich den großen Hut des Doyen und einige seiner Messgewänder. Jeff und ich folgten mit der Kiste, welche die Utensilien für die Segnung enthielt, und hinter uns strömten Königstreue, Adlige und Ratsälteste mit den restlichen Utensilien der Sakristei aus der Kirche. Selbst Wyln hatte etwas aus der Kirche mitgenommen, das Weizenbündel, das zu den Gebeten um eine reiche Ernte gehört hatte. Alles wurde auf einen Tisch gelegt, den einer der Ältesten aus dem Rathaus geholt hatte. Jusson gab mir einen leisen Befehl, und ich kommandierte zwei Königstreue als Wache für die geretteten Kirchengüter ab. Chadde war auch da, aber sie und ihre Stadtwachen kümmerten sich um die Leichen von Keeve und Tyle. Zuerst glaubte ich, sie würden sie bewachen, doch dann sah ich, wie Leute mit Kienspänen, in Öl getränkten Holzscheiten und Lappen herbeiliefen und zwei Scheiterhaufen zu errichten begannen.
Trotz der ablehnenden Haltung des Nordens, was Totenverbrennungen anging, schien niemand bei den beiden Schreibern ein Risiko eingehen zu wollen. Dann fiel mir ein, dass Menck immer noch verschwunden war, und ich drehte mich zu dem Totenhaus herum. Die Flammen loderten immer noch so hell wie zuvor und machten keine Anstalten, schwächer zu werden.
Doyen Dyfrig und Laurel Faena hatten die Verbrennung von Rodolfos Leichnam überwacht, während wir anderen die Kirche durchsucht hatten. Jetzt entfernten sie sich vom Scheiterhaufen des Schauspielers und kamen zu uns, die wir neben den Leichen der Schreiber warteten. Der Doyen war blass und wirkte erschöpft. Laurel beugte sich erst über Keeve, dann über Tyle, ohne einen von beiden zu berühren. Er seufzte brummend und schüttelte besorgt den Kopf.
»Sie haben die Glocken geläutet, als ich versuchte, diese Ausgeburt der Hölle von ihnen abzulenken«, sagte Dyfrig mit gebrochener Stimme. »Das ist mir nicht besonders gut gelungen.«
»Dass der Tote nicht weiter in der Stadt wütet, zeigt, wie erfolgreich Sie waren, Eminenz«, widersprach Jusson. »Lassen Sie sich nicht von Schuldgefühlen übermannen.«
Ich ersparte mir einen Blick auf den König, um zu überprüfen, ob diese Bemerkung auch auf mich abzielte, und starrte auf die Scheiterhaufen, die rasch höher wurden. Jusson berührte meinen Arm.
»Das gilt auch für dich, Hase. Du nützt mir nicht, wenn du dich mit Vorwürfen quälst. Wie Beol lan richtig sagte, hast du anhand der vorhandenen Tatsachen eine vernünftige Entscheidung getroffen.«
»Das stimmt«, meinte Beollan müde. »Und wenn es nach mir gegangen wäre, würden wir immer noch irgendwelche Heckenschützen am Königstor jagen.«
»Jawohl, Sire«, erwiderte ich. »Mylord.«
Jusson seufzte. »Wir reden später darüber, Cousin. Aber ich hätte eigentlich angenommen, du wüsstest nach sechs Jahren in der Armee damit umzugehen, wenn eine zunächst richtige Entscheidung sich plötzlich gegen einen wendet.«
Jetzt hob ich den Blick zu Jusson, der jedoch ebenfalls die Vorbereitungen für die Verbrennung der Leichen beobachtete. Die Schreiber
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