Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
ließen wir das Gedränge am Königstor hinter uns und ritten auf die Königsstraße hinaus. Es war fast Mittag, und die Sonne warf kurze Schatten auf die festgetretene Lehmstraße. Das änderte sich jedoch bald, als wir die gerodete Fläche vor den Stadtmauern hinter uns ließen und in den Wald ritten, der zunehmend dichter wurde. Die Blätter dämpften das Sonnenlicht und leuchteten in ebenso strahlenden Farben wie die der Bäume auf den Berghängen. Zwischen den Baumstämmen hindurch sah ich das Ackerland und die Obstplantagen, die den größten Teil des Tals bedeckten. Auf den Feldern und Plantagen brachten Landarbeiter die Ernte ein, bevor die Regenfälle einsetzten. Ein mitfühlendes Zucken lief mir über den Rücken, als ich mich daran erinnerte, wie ich selbst Getreide geschnitten und Obst gepflückt hatte. Der Wind umwehte mich, spielte mit meiner Feuer- und meiner Erdkugel, erzählte mir von Höhlen und Winterquartieren, die er entdeckt hatte. Ich streckte die Hand aus. Der Wind ballte sich zu einer Kugel zusammen und gesellte sich lachend zu den beiden anderen.
»Das tut gut«, sagte Jeff neben mir. »Ich glaube immer, dass ich die Stadt vermisse, bis ich wirklich drin bin. Dann kann ich es kaum erwarten rauszukommen.«
Bei mir dauerte es stets auch nur eine kurze Zeit, bis die Mauern in Freston mich zu erdrücken schienen. Nur war ich ein Bauernjunge aus einer entlegenen Provinz, und für mich war die kleine Stadt voll lauten und lebhaften Lebens. Jeff dagegen war in einer Stadt aufgewachsen. »Ich dachte, du wärst in Gresh groß geworden«, erwiderte ich.
»In einer Ortschaft nordwestlich davon«, meinte er. »Aber sie lag nah genug an Gresh, dass ich jedes Jahr zur Erntefeier dorthin gehen konnte. Meine Familie lebt immer noch dort. Sie würden sich sicherlich totlachen, wenn sie jetzt sehen könnten, wie ich mich nach den Bergen verzehre.«
Ich grinste, wurde jedoch von meinem Magen abgelenkt, der erneut knurrte. Laurel, der immer noch vor meinem Pferd herlief, richtete ein Ohr nach hinten. »Habt Ihr heute Morgen etwas gegessen, Hase?«
»Im Morgengrauen«, antwortete ich. »Und jetzt ist fast Mittag, also ist es nur normal, dass ich hungrig bin.«
»Ich habe zur selben Zeit gefrühstückt wie du, Hase«, meinte Jeff. »Aber ich bin noch satt. Und du hast dreimal mehr gegessen als ich.«
»Hat er?« Wyln ritt auf meiner anderen Seite. Jetzt beugte sich der Dunkelelf vor, packte mein Kinn und drehte meinen Kopf zu sich herum. »Trotzdem habt Ihr abgenommen, Zweibaums Sohn.«
»Er hat Essen bei sich, Lord Wyln«, meinte Jeff besorgt.
»Danke, Ma«, sagte ich, noch während ich nach den Früchten und den Brötchen griff, die ich von Jussons Tafel stibitzt hatte.
»Esst«, meinte Wyln. »Wenn nötig, werde ich mit dem Eorl-Kommandeur sprechen.«
Diese Drohung veranlasste mich, die Früchte und Brötchen hastig hervorzuziehen, die leider ein wenig mitgenommen aussahen, weil ich sie die ganze Zeit in der Tasche gehabt hatte. Ich stopfte sie in mich hinein.
»Es ist gut, ab und zu einmal Luft zu holen, Zweibaums Sohn«, merkte Wyln an.
Ich ignorierte ihn und verschlang die Früchte. Die hallende Leere in meinem Magen verschwand ein wenig, ebenso wie der Kopfschmerz, den ich erst bemerkte, als er nachließ. Stirnrunzelnd warf ich ein Apfelgehäuse weg. »Das ist nicht normal, stimmt’s?«, fragte ich. »Dieser unablässige Hunger.«
»Wann habt Ihr Euch das letzte Mal so gefühlt, Hase?«, fragte Laurel zurück.
Barden erreichen die Herzen der Zuhörer durch ihre Lieder, Drachen suchen die Perlen der Weisheit, Elfen ehren ihre Stammbäume und Schwerter. Und Faena praktizieren Erleuchtung durch weise Fragen, die den Gefragten dazu bringen, die Antwort aus reiner Selbstverteidigung heraus zu finden. Ich hörte Jeffs Kichern, als ich seufzte, und ließ den Kopf sinken.
»Ich weiß es nicht …« Ich unterbrach mich, als die Luftkugel sich ausbreitete und der Wind mich umwehte. Er erinnerte mich daran, wie ich früher einmal vom Wind umtost worden war. Und auch an den Grund. Ich seufzte erneut, gegen meinen Willen erleuchtet. »Als ich den Dschinn-Sturm bekämpft habe«, antwortete ich. »Aber jetzt habe ich doch nichts dergleichen getan, oder?«
»Nein«, antwortete Laurel. »Selbst Euer gestriger Kampf gegen diese unsichtbaren Hände dürfte dieses Verlangen Eures Körpers nicht auslösen. Etwas fordert Eure Gabe.«
»Er ist seiner Aspekte gewärtig«, sagte Wyln zu Laurel. »Bis auf den des
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