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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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es schön hell wird über dem Fluss.
    Ich hebe die Hand, will gerade abdrücken, als ich unversehens kalten Stahl an meinem glatt rasierten Hinterkopf spüre. Eindeutig eine Waffe mit ziemlich großem Kaliber. Mist! Wer, zum Teufel, hält mir hier ‘ne Knarre an den Schädel?  BGS ? Bullen? Nervös gewordene Kumpane der Schlepper, die das diesseitige Terrain absichern?
    »Lass es bleiben, Kudella!«
    Erleichtert atme ich aus. Diese Stimme ist mir wohlbekannt und gehört eindeutig meinem alten Kumpel Roland. Wir kommen uns seit fast zwanzig Jahren in die Quere und haben uns schon als Dreijährige im Sandkasten um irgendwelche Buddeleimer gekloppt. Dieser Idiot! Was will er hier? Vorsichtshalber lasse ich die Leuchtpistole sinken.
    »So spät noch auf den Beinen, Compañero?«
    »Das hast du voll erfasst, mein Alter«, raunt Roland leise und ohne die Waffe von meinem Kopf zu nehmen. »Und jetzt warten wir beide, bis meine Mädels sicher hier angekommen sind.«
    »Ach, das sind Mädels?« Interessiert sehe ich wieder durchs Fernglas. »Wie süß!«
    »Nicht wahr?« Roland nimmt mir das Fernglas ab und sieht selbst hindurch. »Hab ich mir doch gedacht, dass du wieder hier rumschleichst. Hättest deine Karre besser verstecken sollen.«
    Wozu? Kann doch ruhig jeder sehen, dass ich mich um die Sicherheit der Staatsgrenze verdient mache. Als engagierter Bürger, und im Gegensatz zu Roland bin ich nicht mal bewaffnet. Zeit, ein paar Lichtsignale zu setzen. Ich halte die Leuchtpistole hoch, um eine Rakete abzufeuern, doch Roland fällt mir in den Arm und drückt mir seine Waffe noch fester an den Hinterkopf.
    »Lass es sein, Alter, sonst …«
    »Was sonst? Ich will deine Täubchen nur ein bisschen aufscheuchen.«
    »Vergiss es, Alter.« Er liegt halb auf mir drauf, ich spüre seinen Atem an meinem Ohr.
    Die Frage ist, mit was für einer Waffe er mich bedroht. Etwa mit der ollen Schreckschusspistole seines Vaters? Wie albern. Vorsicht ist dennoch geboten. Vielleicht hat er sie scharf gemacht. Oder er hat sich einen fetten Revolver zugelegt, zuzutrauen wär’s ihm. Roland haut ganz gern mal auf die Kacke und spielt den dicken Max – am Ende ist die Knarre sogar vergoldet wie bei James Bond.
    »Was ist?«, frage ich ihn leise und spanne die Muskeln an. »Willste mich erschießen, Compañero? Deinen alten Freund Kudella?« Dann ramme ich ihm blitzschnell den Ellenbogen ins Zwerchfell, dass ihm die Luft wegbleibt, springe auf und feuere meine Leuchtpistole ab. Zischend steigt eine Rakete in die Nacht, entfaltet sich zu einer gleißend weißen Kugel und erhellt die Szenerie über dem Fluss mit gespenstischem Licht.
    Roland krümmt sich röchelnd am Boden, sodass ich in aller Ruhe nachladen kann. Zwei weitere Raketen schießen tief über die Köpfe der im Wasser stehenden Mädchen hinweg. Kreischend stieben sie auseinander.
    »Vamos a la playa!«  Ich amüsiere mich köstlich. »Badetag, ihr Süßen!«
    Inzwischen ist Roland wieder hochgekommen. Außer sich vor Wut will er mir einen Faustschlag versetzen – ein sinnloser Versuch: Noch im Flug fange ich seine Hand ab und drehe sie ihm brutal auf den Rücken. Roland stöhnt auf vor Schmerz und sackt auf die Knie. Dieser erbärmliche Trottel. Wann begreift er endlich, dass ich ihm körperlich total überlegen bin? Keine Chance, Compañero. Du solltest mehr trainieren.
    Ich winde ihm die Waffe aus den Händen und schaue sie mir genau an. Eine Art Luger mit Rollenverschluss. Kaliber neun Millimeter Parabellum. Nicht schlecht. Vermutlich eine tschechische Armeepistole. Weiß der Teufel, wo er das Ding herhat. »Wolltest du mich damit erschießen, Don Rolando?«
    »Irgendwann«, keucht er, »tu ich das auch, Arschloch!«
    »Nicht mit der.« Ich entsichere die Waffe und stecke sie mir in den Hosenbund. »Die ist konfisziert.« Ich reiche ihm die Hand und helfe ihm wieder auf die Beine. »Sonst schießt du dir noch aus Versehen die Eier weg. Das wollen wir doch vermeiden, oder?«
    Roland schnaubt wütend und klopft sich sorgsam den Schmutz vom schicken italienischen Anzug. Dann sieht er hilflos zum Fluss hinunter. Die Mädchen sind in heller Aufregung zurück zu ihren Schleppern hinter den polnischen Deich geflüchtet. Kurz darauf hört man, wie mehrere Autos angelassen werden und grummelnd im Hinterland verschwinden.
    »So eine Scheiße«, regt er sich auf, »du hast mir das Geschäft meines Lebens versaut, ist dir das eigentlich klar? – Weißt du, was ich für die Weiber bekommen

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