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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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und ließ sich entspannt hinter das Steuer sinken. Der Vierzylinder sprang sofort an, kaum hörbares Surren im Leerlauf. Gleichzeitig hob sich das hydropneumatische Fahrwerk auf Betriebsniveau. Nein, das war kein Auto für wilde Verfolgungsjagden, hier glitt man dahin wie in einer Sänfte. Getragen von einer Göttin. Wenn man den siebten Himmel erfahren konnte, da war sich Schwartz sicher, dann nur mit diesem Wagen.
    Er fädelte sich in den Stau vor der Carolabrücke ein und steckte eine Kassette, »Mama Said« von Lenny Kravitz, in den Rekorder des Autoradios. Retro-Soul mit Geigern und Hammondorgeltönen im Hintergrund, dazu ein gefälliger, tanzbarer Rhythmus. Schwartz bewegte Kopf und Schultern im Takt und sang laut und mit hoher Fistelstimme mit:
     
    »So many tears I’ve cried,
    So much pain inside,
    But baby it ain’t over till it’s over.
    So many years we’ve tried,
    To keep our love alive,
    But baby it ain’t over till it’s over …«
    Auf der Albertstraße versammelten sich schon wieder die ersten Demonstranten. Sobald es dämmerte, würden sie ihre Kerzen anzünden, stumm und anklagend in einer langen Kette stehen, die den gesamten Verkehr lahmlegte und sich durch die ganze Dresdner Innenstadt zog.
    Überall ging das jetzt so. Nach den mörderischen Exzessen gegen Asylanten und Ausländer in Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen war aus Deutschland ein einig Lichterkettenland geworden. Der Bürger zeigte flächendeckend Kerze im, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schrieb, »Overkill der guten Absichten«.
    Schwartz mied diese Demonstrationen, seitdem er dort herzlich willkommen geheißen wurde. Als er darauf hinwies, dass er in Dresden geboren und sogar deutscher Beamter sei, reagierten einige der kerzentragenden Bürger verblüfft, denn »dass in unserer Polizei inzwischen auch Neger dienen dürfen«, hatten sie nicht gewusst.
    »Du lieber Gott! Sie sind ja wirklich schwarz«, entfuhr es auch Liliana Petkovic, als er sie wenig später im überfüllten »Miesepeter« ausgemacht hatte. Was nicht so einfach war, denn im Gegensatz zu ihrer kräftigen rauchigen Stimme war Liliana Petkovic eine junge, zierliche, ja, ausgesprochen fragil wirkende Frau mit schulterlangen braunen Haaren und großen, etwas übernächtigt wirkenden Rehaugen. Erwartungsgemäß hatte sie eine Zigarette zwischen den Lippen. Doch sonst wirkte sie in ihrem alten Bundeswehrparka und mit dem Palästinensertuch um den Hals wie eine friedensbewegte Studentin aus den frühen Achtzigern.
    »Ich habe Sie mir auch anders vorgestellt«, sagte Schwartz und stellte sich neben sie an den Tresen. »Wie haben Sie mich denn erkannt?«
    »Na ja, man hat mir schon gesagt, dass Sie so ‘ne Mischung aus Michael Jackson und Harry Belafonte sind«, Liliana Petkovic lächelte, »aber ich bezog das vermutlich mehr auf Ihre charakterlichen Stärken.«
    Schwartz kannte weder den einen noch den anderen Star gut genug, um Rückschlüsse auf deren Charakter zu ziehen. Weder unterzog er sich irgendwelchen Gesichtsoperationen, um europäischer zu wirken, noch benutzte er Bleichmittel wie Jackson. Zudem war er mit seinen nicht mal vierzig Jahren sehr viel jünger als der »Matilda«-singende Belafonte, sodass nicht nur der charakterliche, sondern auch der äußerliche Vergleich hinkte.
    Dennoch plapperte Liliana Petkovic munter weiter: »Dann ist Schwarz sozusagen Ihr Künstlername? – Wie originell! Zumindest für einen Bullen.«
    »Schwartz mit tz«, entgegnete er gereizt. »Ich trage den Namen meiner Mutter. Und die war Deutsche, wie Sie«, er überlegte, »obwohl Petkovic ja auch nicht gerade deutsch klingt …«
    »Kroatien«, half sie ihm auf die Sprünge, »meine Eltern stammen aus Kroatien.«
    »Na denn«, Schwartz wurde lauter, da ein paar langhaarige Straßenmusiker mit Gitarren in den Laden kamen und lautstark »The House Of The Rising Sun« spielten, »dann sind wir ja ein richtiges Multikulti-Team.«
    »Ich fürchte, daraus wird nichts.« Liliana Petkovic winkte bedauernd ab. »Für meine Aufgaben brauche ich einen unauffälligeren Typen.«
    »Unauffällig?«, fragte Schwartz, obwohl er ahnte, was kam. »Inwiefern?«
    »Ich suche jemanden, der nicht nur Sachse ist«, Liliana Petkovic drückte ihre Zigarette aus, »sondern auch so aussieht, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Und wie Schwartz verstand. »Alles klar«, sagte er enttäuscht und »Schönen Abend noch«, bevor er sich abwandte, um sich zwischen bierseligen

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