Grenzwärts
Gästen und schrammelnden Musikern zum Ausgang zu zwängen. So weit kam es noch, dass er sich von einer kroatisch-schwäbischen Provinztussi rassistisch anmachen ließ. Blöde Kuh! Und so was ist beim LKA . Nicht zu fassen!
»Hey!« Die Petkovic rannte ihm nach. »Nun seien Sie doch nicht gleich beleidigt! War doch nicht so gemeint.«
»Ach nee?« Schwartz fuhr herum. »Wie war es denn gemeint?«
»Wenn Sie sich beruhigen, erklär ich’s Ihnen.«
»Ich bin ruhig«, erklärte Schwartz. »Ich hab mir schon so oft dumme Sprüche wegen meiner Hautfarbe anhören müssen, die regen mich schon lange nicht mehr auf.« Er sah auf die Uhr. »Aber jetzt hab ich Feierabend. Und wenig Lust, den mit Leuten zu verbringen, denen ich erst meine Herkunft auseinanderklamüsern muss, damit sie mich für voll nehmen.«
»Habe ich das verlangt?« Liliana Petkovic hob abwehrend die Hände. »Ich habe lediglich zu verstehen gegeben, dass ich für meinen Einsatz keinen Afrikaner gebrauchen kann!«
» ICH BIN KEIN AFRIKANER !« Himmel, diese Petkovic brachte ihn noch zur Weißglut. Das Schlimme an den Westlern war deren Selbstsicherheit, mit der sie noch den größten Blödsinn von sich gaben. Keine Ahnung von nichts, aber immer obenauf. Beneidenswert war das. Und nervig. Ostdeutsche hielten wenigstens den Mund, wenn sie unsicher waren. Nicht so der Wessi. Der quatschte dann erst recht drauflos und hörte nie wieder auf.
»Mein Gott, sind Sie empfindlich!« Liliana Petkovic blieb an ihm dran und folgte ihm auf die Straße. »Es besteht nun mal kein Zweifel daran, dass Sie wie ein Afrikaner aussehen, oder? Meinetwegen auch wie ein schwarzer Amerikaner, jedenfalls nicht deutsch, nicht wie ein Sachse, nicht unauffällig.« Sie hielt ihn am Ärmel fest und sah ihn eindringlich an. »Das hat gar nichts mit Rassismus zu tun. Das ist eine Tatsache.«
»Schön, dass Sie mich daran erinnern.« Schwartz machte sich los. »Darf ich jetzt gehen?«
»Wollen Sie denn gehen?«
»Unbedingt.«
»Was habe ich Ihnen denn getan?«
»Nichts«, antwortete Schwartz und schloss den Wagen auf, »überhaupt nichts. Aber Sie brauchen für Ihr Vorhaben einen Weißen, insofern: Adieu, Madame!« Er setzte sich hinters Steuer und startete den Motor, doch Liliana Petkovic hinderte ihn daran, die Fahrertür zu schließen.
»Wir können doch trotzdem zusammen ein Bier trinken.«
»Nur, wenn Sie mir verraten, warum Sie sich mit mir treffen wollten.« Schwartz erwiderte ihren Blick. »Und mir dann die Entscheidung überlassen, ob ich für was auch immer geeignet bin oder nicht.«
Liliana Petkovic überlegte einen Augenblick. »Okay«, sagte sie schließlich und trat einen Schritt vom Wagen zurück, damit er wieder aussteigen konnte.
Sie zogen sich in den hintersten Winkel des »Miesepeter« zurück, an einen kleinen Tisch nahe bei den Toiletten, wo man den WC -Reiniger roch, und bestellten zwei große Bier. Radeberger Pilsener.
»Was sagt Ihnen der Begriff ›Teufelsnase‹?«, fragte Liliana Petkovic, nachdem sie sich zugeprostet und einen Schluck getrunken hatten.
»Ein Felsen im Neißetal«, antwortete Schwartz. »Als Kind bin ich oft darauf herumgeklettert. Mit etwas Phantasie sieht er wie eine steinerne Nase aus. Darum der Name: Teufelsnase.«
»Volltreffer«, knurrte Liliana Petkovic in ihr Bierglas. »Und gleich der erste Schuss.«
»Ich bin da aufgewachsen«, erklärte Schwartz. »In Dittelsdorf, bei meiner Oma.«
»Bei der Oma?« Liliana Petkovic sah auf. »Und Ihre Mutter, wo war die?«
»Mit meinem Vater in Ghana. Den Sozialismus aufbauen. Sie hatten sich hier in Dresden an der Technischen Universität kennengelernt. Ghana war damals unabhängig geworden und brauchte gut ausgebildete Leute.«
»Dann sind Sie also sozusagen«, Liliana Petkovic grinste, »ein Kind gelebter antiimperialistischer Solidarität?«
»Wenn Sie das so sehen wollen.« Schwartz trank von seinem Bier und kam zum Thema zurück. »Was ist denn nun mit der Teufelsnase?«
»Nichts.« Liliana Petkovic rauchte schon wieder und blies ihm den Qualm direkt ins Gesicht. »Aber am Fuße des Felsens fanden Spaziergänger eine Leiche.« Sie nahm ein Foto aus der Innentasche ihres Parkas und schob es über den Tisch. »Jochen Kuhnt, Beamter beim Bundesgrenzschutz. Der Mann war in seiner Freizeit Bergsteiger, doch es sieht nicht so aus, als wäre er von der Teufelsnase nur unglücklich abgestürzt.«
»Warum nicht?« Schwartz schob das Foto zurück. Die Nase war zwar nur mäßig
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