Grenzwärts
sind Sie?«
»Petkovic, Liliana«, knarzte es aus dem Hörer. Die Frau musste mit ‘ner Filterlosen zwischen den Lippen auf die Welt gekommen sein. »Ich gehöre zum Aufbauteam des LKA .«
»Ah.« Schwartz fiel der leichte schwäbische Singsang auf, dem sächsischen nicht unähnlich und ein interessanter Kontrast zur rauen Stimmlage. Noch ein Westimport, dachte er.
»Herr Schwartz, was meinen Sie, können wir uns zeitnah treffen?«
Er grübelte noch über den Begriff »zeitnah« nach, als sie ihn schon klarstellte.
»Vielleicht so in einer halben Stunde?« Sie zündete sich eine Zigarette an. Deutlich war das Klicken des Feuerzeugs durch den Hörer zu hören, genau wie ihr Ausatmen.
»Worum geht es denn?«, fragte Schwartz.
»Das erkläre ich Ihnen dann. Es ist wichtig.«
Na klar, dachte er, bei Westlern ist immer alles wahnsinnig wichtig. Andererseits kam diese Petkovic vom LKA . Aufbauteam, das klang interessant. Vielleicht nach Karrieresprung. Beim Landeskriminalamt wurden jedenfalls nicht die alten DDR -Fälle gewälzt, da gab es sicher Besseres zu tun.
»Hören Sie, meine Zeit ist begrenzt, Schwartz«, wurde die Petkovic ungeduldig. »Ich habe Ihnen eine klar verständliche Frage gestellt und will jetzt eine Antwort dazu hören.«
Oha, staunte Schwartz, da hatten sie dem LKA offenbar ein echtes Flintenweib als Aufbauhelferin geschickt, eine harte, emanzipierte Kettenraucherin mit Kampfgeist. Er schätzte sie auf Mitte fünfzig und so korpulent wie zielorientiert. Eine Art Birgit Breuel der Verbrechensbekämpfung.
»Ja, ähm …« Er atmete tief durch. »Ich überlege nur, wo wir uns treffen können.«
»Wie wär’s bei Ihnen im Büro?«
»Ooch, da sitz ich schon den ganzen Tag«, maulte Schwartz. »Ich würde gern mal raus.«
»Dann schlagen Sie was vor!« Liliana Petkovic lachte kernig. »Ich bin erst seit drei Tagen in Dresden und entsprechend unbedarft. Jedenfalls was die hiesige Kneipenszene angeht.«
Das klang schon viel umgänglicher. Vermutlich brauchte sie jemanden, der sie mit den Befindlichkeiten ihrer neuen Umgebung vertraut machte, und da waren ein, zwei gemütlich große Pilsener kein schlechter Anfang. Nicht wenige Westimporte waren in Dresden schon grandios gescheitert. Bei Leuten, denen noch die DDR in allen Knochen steckte, kam dieses jungdynamische Getue nicht sonderlich an. Zumal es sich bei den sogenannten Aufbauhelfern Ost oft nur um die ausgelagerte Inkompetenz der alten Bundesländer handelte. Abgehalfterte Typen wie Dr. Habersaath, die allein schon aufgrund ihrer Pensionsansprüche zu teuer waren, um vorzeitig aufs Altenteil geschickt zu werden.
»Sagen Sie, Schwartz«, fragte die Petkovic, »stehen Sie immer so lange auf der Leitung?«
»Nein, ich? – Wieso?« Er straffte sich. »Miesepeter: Was halten Sie davon?«
»Bitte?«
Ei verbibbsch, wer stand hier wohl auf der Leitung, hm? »Der ›Miesepeter‹«, beeilte sich Schwartz, »ist eine ganz nette Eckkneipe. In der Neustadt. Sie wissen wahrscheinlich nicht, wo das ist?«
»Kein Problem, ich nehme ein Taxi.«
»Ich kann Sie mit dem Wagen abholen«, schlug Schwartz vor. Schließlich war er ein hilfsbereiter Dresdner und …
»Ich sage doch, ich nehme ein Taxi. Bis gleich.«
»Ja, gut, dann bis …« Er hörte, wie sie auflegte, und setzte ein lautloses »Zicke« hinzu. Dennoch war er gespannt auf die Frau mit der heiser-rauchigen Stimme, die sich so irre taff gab und trotzdem nur ein Mensch war.
Als er auf die Schießgasse hinaustrat, stand die Sonne bereits tief über der Stadt. Ein herrlicher Herbsttag, von dem Schwartz leider so gut wie gar nichts mitbekommen hatte, neigte sich dem Ende.
Immerhin war der Parkplatz gegenüber noch in goldenes Licht getaucht, und so blieb der Oberkommissar einen Moment vor seinem Wagen stehen und genoss den herrlichen Anblick: La Déesse, die Göttin! Ihr sorgsam polierter weißer Lack schien in den letzten Sonnenstrahlen zu glühen. Schwartz hatte sie gleich nach der Währungsunion für schlappe zweieinhalbtausend Deutsche Mark in Westberlin erstanden. Ein C itroën DS P allas, das absolute Spitzenmodell aus dem Jahre 69 und die Legende aus Filmen wie »Der eiskalte Engel«, »Fantomas« und »Der Schakal«. Ein Traumwagen mit roten Samtsitzen, Einspeichenlenkrad und schwenkbaren Scheinwerfern. Den musste er einfach haben, und er würde in seinem ganzen Leben nie wieder einen anderen fahren. Komme, was wolle.
Schwartz schloss die Fahrertür auf
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