Gretchen
Dann wischte er das Kondenswasser vom Spiegel, damit er sich sehen konnte. Sein eingefallenes Spiegelbild erschreckte ihn. Er legte die Hand an den Rand des Spiegels und wartete einige Augenblicke, dann öffnete er den Arzneischrank und durchsuchte die Fächer. Er sah nicht, was er sehen wollte. Er schaute unter dem Waschbecken nach. Keine Pillen. Er fragte sich, ob Henry tatsächlich keine Schmerztabletten im Haus hatte oder ob er sie nur versteckte.
Archie durchquerte gerade Henrys Wohnzimmer, um in den Küchenschränken nachzusehen, als er ihre Stimme hörte.
»Ich bin froh, dass es dir gut geht«, sagte Gretchen.
Er drehte sich um und sah sie in Henrys Sessel sitzen. Sie hatte eine von Henrys Katzen im Schoß – eine grau gescheckte, die er von einem Tatort gerettet hatte. Gretchens Haar war rot und nach hinten gekämmt. Sie trug ein schwarzes, ärmelloses Baumwollkleid und hatte die nackten Beine übereinandergeschlagen. Sie sah gebräunt aus. Er hatte sie so viele Male in seiner Vorstellung gesehen, dass er einen Moment brauchte, bis er begriff, dass sie es tatsächlich war.
Er wünschte, er könnte diesen Teil von sich – den Teil, der an sie dachte, der mit ihr verbunden war, der sie begehrte – aus sich herausschneiden und vergraben.
Er lachte. »Ich wünschte, ich hätte dich getötet«, sagte er.
Die Katze rieb ihren Kopf an Gretchens Hand und schnurrte. »Kann ich mir vorstellen.«
»Es gab keinen Grund«, sagte Archie. »Ich habe nach einem Grund gesucht, warum du mich am Leben gelassen hast. Nach irgendeinem menschlichen Zug an dir. Aber es gab keinen Grund.«
Gretchen runzelte nachdenklich die Stirn. »Vielleicht war es Liebe.«
Archie lächelte. Er winkte sie mit gekrümmtem Zeigefinger zu sich. »Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte er.
Sie zögerte keinen Augenblick. Sie stieß die Katze von ihrem Schoß auf den Boden, stand auf und ging zu ihm. Sie trug hohe Absätze und wiegte sich in den Hüften beim Gehen. Als sie ein paar Schritte entfernt war, ließ er das Handtuch fallen.
»Kein Steifer«, sagte er.
Er folgte ihrem Blick zu seinem schlaffen Schwanz hinunter und bewunderte ihn glückselig. »Weißt du, wie lange es her ist, seit ich zuletzt in einem Raum mit dir war, ohne einen Steifen zu kriegen?«, sagte er. »Großer Gott, ich konnte nicht einmal dein Bild ansehen, an deinen Namen denken, ohne eine Scheißerektion zu bekommen.« Er berührte ihn, bewegte ihn ein wenig umher, um zu beweisen, dass er nicht steif war. »Ich könnte eine Badewanne mit dem Samen füllen, den ich dir zu Ehren verspritzt habe.«
Gretchen legte eine Hand an seinen Hinterkopf und zog ihn zu sich. Er ließ es geschehen. Aber er behielt die Arme seitlich am Körper. Sie küsste ihn, stieß ihre Zunge in seinen Mund. Und er empfand: nichts.
Sie löste sich von ihm, trat einen Schritt zurück und strich ihr Haar glatt. »Die Therapie macht sich bezahlt«, sagte sie. »Du warst ein guter Patient. Ich bin sehr zufrieden.«
»Hör auf, Frank anzurufen«, sagte Archie. »Er glaubt schon wirklich, dass du seine Schwester bist.«
Sie lächelte und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Vielleicht bin ich es ja.«
Henry und Claire waren im Büro der Task Force, sie würden erst in Stunden wiederkommen. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragte Archie. Henry bewahrte eine Reservewaffe in einer Schachtel im Schrank auf. Archie würde versuchen müssen, an sie heranzukommen und sie zu laden.
Gretchen stützte den Ellenbogen auf Henrys Sideboard. »Wo solltest du sonst hin? Vancouver?« Sie ließ den Blick über ihn wandern, und ihm wurde bewusst, dass er immer noch nackt dastand. »Ich glaube, Debbie hat genug davon, dass du immer anderen Frauen nachschaust.« Sie fuhr mit der Fingerspitze über die Oberfläche des Sideboards und betrachtete sie prüfend. »Ich erkenne Claires Einfluss«, sagte sie. »Es ist viel ordentlicher.« Sie spielte nur mit ihm. Sie war nie zuvor in Henrys Haus gewesen.
Archie hob das Handtuch auf und wickelte es sich um die Hüfte. »Warum bist du hier?«, fragte er.
Sie lächelte ihr Filmstarlächeln. »Ich bin hier, um dich zu retten.«
Er hatte gehofft, es sei nicht wahr. »Du hast den Herald angerufen und ihnen den Tipp mit Pearl gegeben.«
»Wie geht es Jeremy Reynolds?«, fragte Gretchen. »Ich sehe, er hat dich mit Hängetechniken vertraut gemacht.«
»Er ist das, was du aus ihm gemacht hast«, sagte Archie.
»Ich überlege mir, ihn wegen unerlaubten Verwendens
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