Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
Zwischenzeit durchstöbere ich die Kleiderschränke meiner Brüder nach geeigneten Kleidern für dich – meine werden dir zu schmal sein.“ Er verabschiedete sich und verließ beseelt von seiner neuen Aufgabe das Zimmer.
Ian stöhnte. Galad konnte es in seinem Eifer, ihm eine neue Garderobe zukommen zu lassen, wahrhaftig mit Joanna aufnehmen.
Eine Stunde später führte Galad Ian durch die Burg. „Vor der Feier gibt unsere Familie ein Konzert. Das ist seit Jahren Tradition“, erläuterte Galad ihm und öffnete die Tür des Festsaales. „Das Neujahrsbankett ist ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis für uns, wir erwarten sehr viele Gäste.“
„Ich weiß“, knurrte Ian. „Ich habe die Stühle reingetragen.“
„Dann ist es umso schöner, dass du auch zuhören kannst“, antwortete Galad vergnügt. „Es ist Zeit für das Mittagessen. Da wirst du den Rest meiner Familie treffen.“
Kurz darauf betrat Ian die Halle der Burg. Der Raum war prachtvoll ausgestattet – der Viscount of Lionsbridge musste sich vor höherrangigen Adligen wahrhaftig nicht verstecken. Alleine die Anwesenheit der vielen Diener spiegelte den Wohlstand der Familie wider.
Galad übernahm die Vorstellung: „Das ist meine Mutter, meinen Vater kennst du bereits. Mein ältester Bruder Lucas und seine Frau Ava, mein zweitältester Bruder Julian und seine Frau Noreen. Das ist Ian, ein guter Freund aus Greystone.“
Ian verbeugte sich, trotzdem entging ihm der geringschätzige Blick der beiden Brüder nicht, als der Name Greystone fiel. Einzig die Viscountess schien sich aufrichtig über sein Erscheinen zu freuen.
„Es ist schön, einen Freund von Galad kennenzulernen“, begrüßte sie ihn und Ian fiel auf, wie ähnlich Galad seiner Mutter sah.
„Setzen wir uns“, bat der Viscount zu Tisch, um sogleich ein Gespräch mit seinen beiden älteren Söhnen zu beginnen.
Galads Mutter hingegen wandte sich Ian zu, der sich daraufhin sofort anspannte. Die nun kommenden Fragen würden zwangsläufig zu seinen Ungunsten enden. Doch zu seiner Überraschung schnitt die Viscountess nur Themen an, die keine Blamage für ihn bereithielten. Ihr ehrliches Interesse und ihre angenehme Art führten schnell dazu, dass Ian sich zunehmend wohler fühlte. Im Laufe des Essens entwickelte sich eine lebhafte Unterhaltung zwischen ihm, der Viscountess und Galad, an der sich auch die beiden Schwiegertöchter rege beteiligten. Mehr als einmal blickte der Viscount missbilligend auf, wenn das Lachen am anderen Ende des Tisches zu laut wurde. Nach der Mahlzeit wurde die Tafel rasch aufgehoben, da sich die Familie für das Fest vorbereiten musste. Beim Verlassen des Saales hielt die Viscountess Ian unauffällig zurück.
„Ich bin sehr froh, dass Ihr da seid“, flüsterte sie ihm zu. „Denn unbeschwert wie eben habe ich Galad lange nicht mehr erlebt.“
Überrascht von dieser Offenbarung wusste Ian nicht, was er antworten sollte.
Die Viscountess lächelte ihn traurig an. „So glücklich ich bin, dass mein jüngster Sohn wieder in Lionsbridge ist – er ist es nicht. Allerdings gesteht er sich das selbst nicht ein.“ Sie bemerkte Ians Verwirrung. „Ich erzähle Euch das, damit Ihr ihm ins Gewissen reden könnt, falls sich die Gelegenheit ergibt. Vielleicht hört er auf Euch.“
Ian nickte. Durch die Besprechung seiner eigenen Probleme gestern Abend hatte er vollkommen vergessen, dass auch Galad sich in einer schwierigen Situation befand. „Ich werde mein Bestes versuchen“, versicherte er der Viscountess, deren freundliches Wesen ihm sehr zusagte. Nachdem er sie kennengelernt hatte, verstand er, warum Galad sich nach Lionsbridge zurückgezogen hatte, obwohl das Verhältnis zu seinem Vater schwierig war. Es war die liebevolle Fürsorge seiner Mutter, die Galad zu einer Heimkehr bewogen haben musste. Sein Freund genoss es, sich von ihr umsorgen zu lassen, während er versuchte, mit den Folgen seiner Auseinandersetzung mit Jake fertig zu werden.
Am Nachmittag trafen die Gäste in der Burg ein. Ian stand etwas abseits in der Halle und beobachtete das Spektakel. Galads Vater warf seiner Frau ungeduldige Blicke zu, weil Bennett, der dritte Sohn der Familie Lionsbridge, immer noch nicht eingetroffen war. Schließlich bat der Viscount alle Gäste nach nebenan in den Festsaal.
Galad führte Ian zu einem Platz in der hintersten Stuhlreihe. Er wollte sich gerade von ihm verabschieden, um nach vorne zu seiner Familie zu gehen, als ihn jemand von hinten
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