Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
bedeutet.“
„Wenn du die ganze Tragweite verstehen willst – und das musst du – brauchst du dieses Hintergrundwissen. Und jetzt höre zu! Durch dieses Recht können Väter ihre Söhne schon seit Jahrhunderten zum Gehorsam zwingen. Bei einer Enterbung verliert der Sohn seinen Familiennamen, bleibt aber ein Mitglied des Adelsstandes. Durch das lex patris verliert der Sohn aber auch sein Adelsrecht, also sein Anrecht darauf, ein Adliger zu sein. Dein Vater hat dich durch die Anwendung des lex patris aus dem Adelsstand ausgestoßen. Du bist kein Adliger mehr.“
Wie erstarrt saß Ian in seinem Sessel. „Was bin ich dann?“, flüsterte er.
Galad zögerte. „Wie ich vorhin sagte, man nennt es auch Schandrecht …“ Er sah ihn entschuldigend an. „Du bist nichts mehr , Ian. Durch das lex patris gehörst du nun zu den Ehrlosen.“
Ian fühlte sich wie gelähmt. Ehrlose war ein Begriff für Bettler, Huren, Landstreicher und anderes Gesindel. Menschen, mit denen niemand etwas zu tun haben wollte. Ihnen war der Zugang zu den Städten und Dörfern verwehrt, Adlige ließen sie nicht in ihre Burgen. Die Ehrlosen lebten ein Leben vor den Mauern, ein Eindringen war ihnen bei Strafe verboten. Müde stand er auf. „Danke für deine Hilfe, Galad. Unter diesen Umständen darf ich nicht länger bei dir bleiben. Es schadet deinem Ansehen.“ Er schritt zur Tür.
Galad versperrte ihm den Weg. „Du setzt dich sofort wieder hin!“
Ian lächelte schwach. „Du willst mich doch nicht etwa aufhalten?“
„Einen Versuch wäre es mir wert. Du bist mein Freund und in deiner Verfassung lasse ich dich nirgendwo hingehen.“ Er schob ihn zurück zu seinem Platz. „Bitte, gib mir eine Chance, dir zu helfen. Deswegen bist du doch gekommen, oder?“
Willenlos ließ Ian sich im Sessel nieder. Mittlerweile war sowieso alles egal. „Mach dir keine Mühe mit mir. Es ist vergeudete Kraft und Zeit. Ich schlage mich irgendwie als Tagelöhner durch.“ Auch wenn es das war, was er nie mehr hatte tun wollen – unter diesen Umständen hatte er keine Wahl mehr. Er goss den restlichen Wein aus dem Krug in seinen Becher.
„Ian, wir finden eine Lösung. Du bist viel zu gut mit dem Schwert, um auf irgendeinem Acker zu versauern.“
„Du hast mich doch noch nie bei der Feldarbeit gesehen. Vielleicht bin ich darin noch besser?“, erwiderte er spöttisch.
„Genug mit diesem Zynismus.“ Galad bedachte ihn mit einem strengen Blick. „Wer – außer dir und Jake – hat noch gehört, dass dein Vater das lex patris erwähnt hat?“
Überrascht blickte Ian ihn an. „Keiner. Vater stand nah bei uns und sprach im Gegensatz zu vorher äußerst leise.“
„Sehr gut.“ Galad lächelte grimmig. „Wahrscheinlich wollte er keine Zuhörer, als er Jake drohte. Ein Vorteil für uns.“ Zufrieden rieb er sich die Hände. „Damit ist eine Sache geklärt: Du gehst zurück nach Greystone.“
„Nein.“
„Und wie du gehen wirst.“ Beschwörend sah Galad ihn an. „Wir wissen nicht, ob dein Vater es nicht doch noch öffentlich bekannt machen wird, das lex patris gegen dich angewandt zu haben. Als Ehrloser wirst du schwer Arbeit oder Unterkunft finden und bist außerdem so gut wie vogelfrei. Greystone ist der einzige Ort, an dem du im Moment in Sicherheit bist, denn dort stehst du unter Jakes persönlichem Schutz.“
„Danke, nein. Ich hatte in letzter Zeit zu oft das Vergnügen, in den Genuss seines Schutzes zu kommen.“
„Ich denke, Jake hat sich mittlerweile darüber schlau gemacht, was das lex patris bedeutet. Er wird dich wieder aufnehmen. Schließlich hat er versprochen, dass du bis zum Ende des Ausbildungsjahres bleiben kannst.“
Ian reagierte nicht und Galad wiederholte energisch: „Du gehst zurück nach Greystone und bestehst die Nachprüfung. Im April legst du dann die Abschlussprüfung ab. Das gibt uns vier Monate Spielraum. Ich werde sofort eine Audienz bei König Theodoric für dich beantragen, damit du deine Sicht des Falls darstellen kannst. Und wenn die Einladung an den Hof kommt, begleite ich dich als Berater. Außerdem werde ich mich in Delaria umhören. Ich habe schon ein paar Ideen, wie wir das wieder hinbekommen.“
„Kann der König das lex patris zurücknehmen?“, fragte Ian.
„Nein, da es sich um ein altes Stammesrecht handelt, ist es vom König nicht aufhebbar. Allerdings kann er dich wieder adeln.“
Hoffnung glomm in Ians Augen auf. „Dann muss also im besten Fall niemand wissen, dass ich ein
Weitere Kostenlose Bücher