Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
kaum Zeit, die Burg zu verlassen, und dann ist da noch der letzte Punkt: Sie ist ziemlich alt. Die ideale Braut ist Anfang, nicht Mitte Zwanzig. Da auch Jake dieses Problem klar ist, hat er vor einiger Zeit angefangen, solche Bankette wie vor zwei Wochen zu arrangieren, auf denen Joanna in Frage kommenden Heiratskandidaten vorgestellt wird. Allerdings war bisher keines dieser Treffen erfolgreich. Joanna selbst mag sie überhaupt nicht. Sie sagte mir, sie käme sich dabei vor wie ein Stück Vieh auf dem Markt.“
Erschrocken nahm Ian seine Ausführungen zur Kenntnis. „Darüber hat Joanna nie mit mir gesprochen. Aber wenn es ihr doch gut gefällt auf Greystone, warum will sie sich dann überhaupt vermählen?“
„Hast du dir schon mal überlegt, was mit Joanna passiert, wenn Jake heiratet?“, antwortete er mit einem traurigen Lächeln. Ian dachte kurz nach, und an seinem entsetzten Gesichtsausdruck erkannte Galad, dass er es verstanden hatte. „Ja, genau, Joanna wird komplett degradiert. Sie muss die Rolle der Burgherrin abgeben, sie muss ihr Zimmer räumen für die Ehefrau und sie muss sich als unverheiratete Schwester Jakes Frau unterordnen. Wir kennen Joanna beide gut genug, um zu wissen, dass sie das nicht ertragen wird. Um ihre gesellschaftliche Stellung zu halten, muss sie einen Mann mit entsprechendem Titel heiraten und Greystone verlassen, um auf seinem Besitz Herrin zu werden.“
„Aber das kann ich mir auch nicht vorstellen“, erwiderte Ian. „Sie mag ihre Apotheke und das Unterrichten.“
„Richtig. Und beides wird sie nicht mehr haben, wenn sie heiratet. Dazu kommt noch, dass Joanna Jake nicht verlassen möchte. Seit dem Tod ihrer Eltern ist er ihre einzige Familie.“
Ian runzelte die Stirn. „Die beste Lösung wäre, wenn ihr Ehemann mit ihr auf Greystone leben könnte.“
„Dann dürfte sie aber keinen Erstgeborenen heiraten – und das wäre nicht standesgemäß. Du weißt doch, Frauen müssen Rang und Titel ihres Mannes annehmen. Und nachgeborene Söhne erben keinen Titel.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber selbst wenn das ginge, was will der arme Kerl auf der Burg tun? Jake trifft die Entscheidungen, er hätte keine eigenen Aufgaben und würde im Schatten seiner Frau leben.“
„Am sinnvollsten wäre es, wenn er selbst unterrichten würde.“ Ian schaute ihn aufgeregt an. „Du könntest Joanna heiraten, dann wären alle ihre Probleme gelöst!“
Galad schloss kurz die Augen. „Nein, damit würden wir uns alle drei unglücklich machen.“ Er atmete tief durch, bevor er weitersprach: „Du siehst, Ian, Joanna sitzt zwischen allen Stühlen. Egal wie sie sich entscheidet, es wird ihr nur Nachteile bringen, jedoch kann sie auch nicht mehr lange damit warten.“
Nachdenklich nickte Ian. „Jetzt ist mir klar, warum sie das Thema Heirat mir gegenüber nie erwähnt hat – es gibt keine gute Lösung für sie.“ Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Da waren einige meiner Äußerungen ihr gegenüber wirklich unangebracht. Allerdings verstehe ich immer noch nicht, warum sie nichts mehr mit mir zu tun haben will.“
„Vielleicht musst du sie einfach selbst danach fragen.“ Galad stand auf, nahm seine Ledermappe vom Pult und ging zur Tür. „Trainierst du heute Abend wieder mit deinen Schützlingen?“
Ian war über diesen Themenwechsel so überrascht, dass er bloß nickte.
Galad verließ den Raum, nur um gleich darauf wieder den Kopf durch die Tür zu stecken. „Übrigens, Joanna hatte das Bankett mit Lord Saldham wirklich vergessen. Hätte ich es ihr nicht gesagt, sie wäre den ganzen Abend in der Apotheke geblieben.“ Er zwinkerte Ian zu und schloss die Tür. Fröhlich pfeifend ging er in die Waffenhalle und kehrte wenig später in die Burg zurück. Wie er erwartet hatte, kam Joanna nicht zum Essen in die große Halle. Er nahm einen Teller, legte Brot und Käse darauf und begab sich ins Obergeschoss. Vor ihrer Tür blieb er stehen und lächelte in sich hinein. Dann klopfte er und betrat den Raum. Joanna saß in einem Sessel am Kamin. „Geht es dir besser?“, fragte er. „Da du nicht beim Abendessen warst, dachte ich, dass ich nach dir schaue und bei dieser Gelegenheit etwas zu Essen mitbringe.“
Sie sah ihn freundlich an. „Danke, Galad, das ist lieb von dir. Mir geht es wieder gut.“
„Joanna, was ich dir seit Tagen sagen wollte: Die Verbände in der Waffenhalle sind fast aufgebraucht. Du müsstest sie bald auffüllen.“
Bei dem Wort
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