Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
beeindrucken?“
Ian sprang ins Zimmer. „Wenn Jake meint, mir drohen zu müssen, ist das seine Sache. Wenn er dann noch dumm genug ist, zu glauben, dass ich mich durch ihn davon abhalten lasse, dich zu treffen, ist er selbst schuld.“ Seine Stimme war kalt geworden.
Erstaunt merkte Joanna, dass diese Härte eine Seite von Ian war, die sie noch nie wahrgenommen hatte.
„Wie sieht es aus“, seine Stimme klang wieder weicher, „gehen wir zum Training?“
Joanna ließ die Schultern sinken. „Das ist nicht möglich. Jake hat auf Lady Tamaras Vorschlag hin Wachen an beiden Enden des Flures aufgestellt.“
Er lächelte. „Ich hatte auch nicht vor, mit dir durch die Burg zu spazieren.“ Er wandte den Kopf zum Fenster.
Sie folgte seinem Blick und erschrak. „Nein, Ian. Nicht durchs Fenster. Das ist viel zu -“
„Leichtsinnig? Riskant? Undurchdacht?“, vollendete er ihren Satz bitter.
„Viel zu hoch, wollte ich sagen. Ich … ich bin nicht schwindelfrei.“
Sein Tonfall wurde versöhnlich. „Keine Sorge. Der Efeu neben deinem Fenster ist fast so gut wie eine Treppe.“ Als er merkte, dass sie nicht überzeugt war, setzte er hinzu: „Ich bin ganz nah bei dir und halte dich fest.“
„Schaffst du das denn?“
„Gleich werde ich wirklich böse.“ Er sah sie streng an. „Du bist viel leichter als dein Bruder, ich habe heute den ganzen Nachmittag geschlafen, und die Verletzung am Arm sieht schlimmer aus, als sie ist. Außerdem würde ich dich nie in Gefahr bringen. Noch Fragen?“
„Nein.“ Sie schmunzelte. „Wir können losgehen.“
Doch Ian bewegte sich nicht vom Fleck. „Joanna?“, fragte er vorsichtig. „Willst du dir nicht etwas anderes anziehen?“
In diesem Moment bemerkte sie, dass sie im Nachthemd vor ihm stand – in einem fast durchsichtigen Nachthemd! Sie errötete, flüchtete zum Schrank und zog sich schnell ein Kleid über. „Du hast das schon die ganze Zeit gesehen“, schimpfte sie dabei. „Warum hast du es nicht früher gesagt?“
Er lachte. „Mich hat es nicht gestört, ganz im Gegenteil.“
Als Antwort bedachte sie ihn mit einem Ausdruck, der Lady Tamara die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Wenig später half Ian ihr, aus dem Fenster zu steigen. Kaum standen Joannas Füße auf dem schmalen Sims, der unter ihrem Fenster entlang verlief, klammerte sie sich krampfhaft an den Fensterrahmen. Warum hatte sie sich nur auf diese Kletterpartie eingelassen?
Ian, der vor ihr herausgestiegen war, legte seinen Arm um ihre Taille. „Keine Angst, ich bin da“, sagte er. Er wies mit dem Kopf in Richtung des Efeus. „Nur ein kleiner Schritt, und du kannst danach greifen. Dann wird es einfach.“
Vorsichtig schob Joanna ihre Füße auf dem Vorsprung seitwärts. Ian hielt sich mit der linken Hand bereits an den Ranken fest, seine rechte Hand gab ihr weiterhin Halt. Ein Kribbeln überlief sie. Allerdings war sie nicht sicher, ob es allein auf die Höhe zurückzuführen war. Mutig riskierte sie einen Blick auf den Boden und schauderte. Sofort spürte sie, wie Ians Hand fester nach ihr griff. Das wiederum sorgte für den nächsten Schauder, der jedoch weit angenehmer war. Joanna lächelte. In den nächsten Stunden würde er sie sicher noch häufiger berühren. Eine Vorstellung, die durchaus ihren Reiz hatte.
„Halte dich zuerst mit den Händen am Efeu fest, dann setze deine Füße zwischen die Ranken“, erklärte Ian.
Joanna richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Klettern und folgte seinen Anweisungen, auch wenn ihre Finger zitterten, als sie den Fensterrahmen losließ.
„Du machst das hervorragend“, sagte er, als sie schließlich auf den Efeuranken stand. Er kletterte neben ihr ein Stück tiefer. „Ich bin unter dir und kann dich jederzeit halten, wenn du ausrutschen solltest.“
Sie atmete tief durch und begann den Abstieg. Tatsächlich war es leichter als gedacht, am Efeu herunterzuklettern. Ian hatte die Erde schon erreicht und hob sie das letzte Stück hinunter. „Das war sehr gut“, flüsterte er ihr zu. „Jetzt müssen wir nur noch ungesehen um die Burg kommen.“
In gespielter Verzweiflung stöhnte Joanna auf, und Ian legte grinsend den Finger auf seinen Mund. „Psst!“ Er nahm ihre Hand, und vorsichtig schlichen sie an der Burgmauer entlang. Ab und an bedeutete er ihr, stehen zu bleiben, doch sie erreichten das Kräuterhaus ohne Zwischenfälle. Kaum waren sie eingetreten, sperrte Joanna die Tür ab. Sie zündete die Kerzen an, und Ian zog die
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