Grieche sucht Griechin - Grotesken
schwieg.
»Es gibt zwei Möglichkeiten dieser Welt gegenüber«, sagte Fahrcks langsam und trocken: »Man geht an ihr zu Grunde oder ändert sie.«
»Schweigen Sie«, schrie Archilochos.
»Bitte. Hängen Sie sich eben auf.«
»Reden Sie.«
Fahrcks lachte. »Gib mir eine Zigarette, Schubert«, wandte er sich zu Petit-Paysans Sekretär. Luginbühl gab ihm aus einem klobigen Apparat Feuer, und so saß er da, rauchte gemächlich, große bläuliche Wolken paffend.
»Was soll ich tun?« schrie Archilochos.
»Annehmen, was ich Ihnen biete.«
»Wozu?«
»Die Gesellschaftsordnung muß gestürzt werden, die Sie zu 104
einem Narren machte.«
»Das ist unmöglich.«
»Nichts ist einfacher«, antwortete Fahrcks. »Sie sollen den Staatspräsidenten ermorden. Das weitere besorge ich selber«, und er tippte auf den Kreml-Orden.
Archilochos taumelte.
»Lassen Sie die Bombe nicht fallen«, mahnte ihn der alte Brandstifter, »sie explodiert sonst.«
»Ich soll ein Mörder werden?«
»Nun, was ist dabei? Schubert, zeig ihm den Plan.«
Der Sekretär Petit-Paysans trat zum Tisch und entfaltete ein Papier.
»Sie sind mit Petit-Paysan im Bunde«, rief Archilochos entsetzt.
»Unsinn!« sagte Fahrcks: »Den Sekretär habe ich bestochen.
Solche Kerls kriegt man für Kleingeld.«
Dies sei der Plan des Staatspräsidentenpalais, begann der Sekretär zu erläutern, sachlich, mit dem Finger über den Plan fahrend. Hier die Mauer, die das Palais an drei Seiten umgebe.
Die Vorderfront werde durch ein vier Meter hohes Eisengitter abgeschlossen. Die Mauer sei zweimeterfünfunddreißig hoch.
Links vom Palais das Wirtschaftsministerium, rechts das Palais des Nuntius. Im Winkel, den der Hof des Wirtschaftsministeriums mit der Mauer bilde, stehe eine Leiter.
Ob diese Leiter immer da sei, wollte Archilochos wissen.
»Sie befindet sich in der heutigen Nacht da, das mag Ihnen genügen«, antwortete der Sekretär. »Wir führen Sie mit dem Wagen bis zum Quai. Sie erklettern die Mauer, ziehen die Leiter nach und steigen an ihr hinunter. Jenseits befinden Sie sich im Schatten einer Tanne. Treten Sie hinter den Stamm und warten Sie, bis die Wache vorbeigekommen ist. Dann gehen Sie nach der Hinterfront des Palais. Sie finden eine kleine Türe, zu der einige Stufen führen. Die Türe ist verschlossen, hier haben Sie den Schlüssel.«
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»Und dann?«
»Das Schlafzimmer des Präsidenten befindet sich im ersten Stock, den Sie von der kleinen Türe über die Haupttreppe erreichen, und liegt hinten. Werfen Sie die Handgranate auf sein Bett.«
Der Sekretär schwieg.
»Und wenn ich die Bombe geworfen habe?«
»Gehen Sie den gleichen Weg zurück«, sagte der Sekretär.
»Die Wache wird durch das Hauptportal ins Palais dringen, und Sie haben Zeit, sich über den Hof des Wirtschaftsministeriums zu entfernen, vor dem Sie unser Wagen erwartet.«
Es war still in der Mansarde und kalt. Sogar das Brausen der Wasserspülungen hatte aufgehört. An der schmutzigen Tapete hing einsam Bruder Bibi mit seinen Kinderchen.
»Nun?« unterbrach Fahrcks das Schweigen. »Was sagen Sie zu diesen Ausführungen?«
»Nein«, schrie Archilochos, bleich, geschüttelt von Entsetzen, »nein!«
Der Alte ließ die Zigarette auf den Boden fallen, der primitiv war (sprießiges Holz mit großen Astlöchern), wo sie weiter-qualmte.
»So schreien sie alle zuerst«, sagte er. »Als ob die Welt ohne Mord zu ändern wäre.«
Nebenan, durch Arnolphs Schreien erwacht, polterte ein Dienstmädchen an die Wand der Mansarde. Archilochos sah sich im Geiste, Chloé am Arm, durch die winterliche Stadt gehen. Nebel über dem Strom, mit großen schattenhaften Schiffen und Lichtern. Er sah die Leute grüßen von den Tramwagen herab, aus Autos heraus, junge, schöne, elegante Männer, dann sah er die Hochzeitsgäste, goldübergossen, diaman-tenübersät, schwarze Fräcke und Abendkleider, rote Orden, weiße Gesichter im goldenen Sonnenlicht, mit den tanzenden Staubpartikeln, und überall ein wohlwollendes Lächeln, das doch so gemein war; er spürte noch einmal den jähen, grausa-106
men Augenblick seines Erkennens, seiner Scham, sah sich aus der Heloisen-Kapelle stürzen, zwischen den Zypressen hervor, sah sich zögern und endlich seinen Zickzacklauf durch die Emil-Kappeler-Straße aufnehmen, mitten durch die brüllende, lachende, jauchzende Menge, er sah die Schatten seiner Verfolger vor sich auf dem Asphalt der Straße ins Riesengroße wachsen, spürte noch einmal sein
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