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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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der Bischof erleichtert fort, auch er ein liebenswerter, edler Mensch, der nun all der Liebe teilhaftig würde, die seine Braut so verschwenderisch zu verschenken in der Lage sei, ein Bürger unserer Stadt, der in wenigen Tagen die Aufmerksam-keit der Welt auf sich gelenkt habe, indem er, aus einfachem Milieu stammend, Generaldirektor, Weltkirchenrat, Ehrendok-tor der medizinischen Fakultät und Ehrenkonsul der USA 99

    geworden sei. So sehr es nun auch stimme, daß alles, was der Mensch unternehme, und alles, was er erlange, all seine Titel und Verdienste, vergänglich sei, Spreu im Wind, ein Nichts im Angesicht des Ewigen, so zeige dieser Aufstieg dennoch, daß Gnade eingewirkt habe (hier räusperte sich Fahrcks vernehm-lich). Doch dies alles sei nun eben nicht eine Gnade, die vom Menschen stamme (nun räusperte sich Petit-Paysan), sondern von Gott, wie der Bibeltext es lehre; nicht Menschengunst habe Archilochos erhoben, sondern der Herr alleine, der sich freilich dazu der menschlichen Herzen bediene, die Er lenke, ja, der die menschliche Schwachheit, die menschliche Hinfälligkeit zu Seinen Zielen benutze, und so gehöre denn auch Ihm allein die Ehre.
    So predigte Bischof Moser, und immer gewaltiger, schwung-voller wurde seine Stimme, immer prächtiger, salbungsvoller seine Worte, je mehr er vom Besonderen ins Allgemeine kam, je mehr er vom Ausgangspunkte seiner Ausführungen, vom Brautpaar eben, ins Unendliche, ins Göttliche schweifen durfte, ein Bild der doch im Grunde so vortrefflich und weise einge-richteten Weltordnung entrollend, in der Gottes Ratschluß schließlich alles zum Guten wende. Doch als er nun geendet, als er nun von der Kanzel gestiegen war und die Trauung vollzogen hatte, indem die beiden ihr Ja hauchten, und Archilochos nun dastand, seine liebliche Frau mit den großen, schwarzen, glücklichen Augen am Arm und nun, wie erwachend, die Festversammlung betrachtete, durch die er schreiten sollte, den würdigen Staatspräsidenten, diese mit Orden und Edelsteinen überladenen Damen und Herren, diese Mächtigen, Einflußreichen und Berühmten im Lande, und als er auch Fahrcks bemerkte, mit seinem struppigen roten Haar, der ihn spöttisch musterte, das Gesicht zu einer bösartigen Grimasse verzogen, und nun die kleine Orgel über der Empore Mendels-sohns Brautmarsch zu quieken begann, da begriff der Grieche plötzlich auf dem Höhepunkt seines Glücks, von der Menge 100

    draußen beneidet, die immer noch wartete. Er erbleichte, taumelte. Schweiß floß über sein Gesicht.
    »Ich habe eine Kurtisane geheiratet«, schrie er auf, verzweifelt, wie ein tödlich verwundetes Tier, riß sich von seiner Frau los, die ihm angsterfüllt in ihrem wehenden Schleier bis zum Portal nachlief, und rannte aus der Heloisen-Kapelle, wo ihn die Menschenmasse mit Lachen und Johlen empfing, die, als sie den Bräutigam allein erscheinen sah, mit einem Schlag begriffen hatte, was geschehen war. Archilochos zögerte einen Augenblick zwischen den dürftigen Zypressen, erschrocken, da ihm die Unzahl der Zuschauer erst jetzt bewußt wurde. Dann rannte er an der Karosse des Staatspräsidenten und der wartenden Reihe der Rolls-Royce und Buicks vorbei und im Zickzack durch die Emil-Kappeier-Straße, da ihm bald dieser, bald jener in den Weg trat, wie gehetzt, wie ein von Hunden gejagtes Wild.
    »Es lebe der Hahnrei der Stadt!«
    »Nieder mit ihm!«
    »Reißt ihm die Kleider vom Leib!«
    Pfiffe gellten an sein Ohr, Schmährufe, Steine wurden nach ihm geworfen, Straßenjungen rannten ihm nach, stellten ihm ein Bein, mehrere Male schlug er hin, bis er sich blutver-schmiert im Hausgang einer Mietskaserne unter einer Treppe verstecken konnte, ins Dunkel gekauert, die polternden Schritte der Meute über seinem Haupt, welches er in den Armen ver-graben hatte, bis sich die Verfolger mit der Zeit verliefen, da sie ihn nicht mehr zu finden vermochten.

    Stundenlang kauerte er nun unter der Treppe, frierend, leise schluchzend, während es im ungeheizten Korridor des Miets-hauses immer dunkler und dunkler wurde. Mit allen habe sie geschlafen, mit allen, mit dem Staatspräsidenten, mit Passap und Maître Dutour, mit allen, wimmerte er. Das ganze Riesen-gewicht seines moralischen Weltgebäudes war zusammenge-101

    brochen und hatte ihn zermalmt. Dann raffte er sich auf. Er torkelte durch den fremden Korridor, fiel über ein Fahrrad und betrat die Straße. Es war schon Nacht. Er schlich zum Strom hinunter, durch schlecht erleuchtete, schmutzige

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