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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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gelangen, nur um besagte Welt vor dem Untergang zu retten? Genügte es nicht, dass zusätzlich ein quengelnder und sich zu Tode ängstigender Kobold auf seiner Schulter saß und ihm ohne Rücksicht seine grünen Borstenhaare ins Ohr bohrte? Musste es jetzt, zur Hölle noch eins, auch noch regnen?
    Seit geschlagenen dreiundvierzig Minuten hockte er nun im Kolosseum und wartete darauf, dass es Mia gelingen würde, das Portal zu öffnen. Angespannt ging sie auf einer der Sitzreihen auf und ab und murmelte immer wieder die Eingangsformel für das Ritual — aber es geschah nichts. Stattdessen flutete das verdammte Wasser das Kolosseum, als wollte es dieses jahrtausendealte Zeugnis der Vergangenheit in wenigen Stunden davonspülen, und rann in Sturzbächen über Grims Körper. Sein Mantel klebte an seinem Nacken und blieb bei jeder Bewegung wie eine Wurstpelle an ihm haften. Es war das widerlichste Gefühl, das er sich vorstellen konnte.
    »Und du bist dir ganz sicher?« Er hatte das ungefähr schon zwanzigmal gefragt, und als Mia den Kopf hob, durchbohrte ihn ihr wütender Blick wie ein giftgetränkter Pfeil.
    »Ja«, zischte sie. »Es ist der richtige Ort, und es ist das richtige Ritual. Ich habe alles richtig gemacht.« Sie sprang eine der Stufen hinab und stemmte die Hände in die Hüfte. Wütend starrte sie hinunter auf die zerfallenen Gänge, in denen einst wilde Tiere, Gefangene und Gladiatoren herumgelaufen waren. Für einen Moment glaubte Grim, dass sie einen hysterischen Anfall bekommen würde. Ihr Gesicht wurde schneeweiß, ihre Augen noch eine Spur grüner. Doch dann seufzte sie leise und ließ sich ungeachtet der Nässe auf die Stufe sinken, auf der sie stand.
    »Es hat keinen Zweck«, murmelte sie niedergeschlagen. »Ich kann es nicht. Vielleicht muss ich noch mehr lernen, um ein magisches Ritual ausführen zu können. Vielleicht bin ich auch einfach unfähig.«
    Grim spürte, wie Remis ihm auffordernd ins Ohr kniff, und wischte den Kobold mit rascher Geste beiseite. Mia brauchte ihn, das war ihm auch klar. Aber die Rolle des Seelentrösters war noch nie seine Paradedisziplin gewesen.
    Er seufzte mindestens so tief wie Mia und ließ sich neben sie sinken.
    »Mit Magie ist das so eine Sache«, sagte er nach einer Weile. Er starrte vor sich auf die Stufe, als würde er dort etwas ungeheuer Interessantes beobachten und nur nebenher mit Mia sprechen. »Es ist gar nicht so einfach, damit zurechtzukommen. Ich habe einige Jahre gebraucht, um mir bei Feuerzaubern nicht mehr die Finger zu verbrennen, dabei ist Feuer mein Element, und ganz am Anfang habe ich nicht einmal einen winzigen Frostwind zustande bekommen. Das ist ein ziemlich schwacher Zauber, wenn du verstehst, was ich meine.« Er holte Atem.
Wenn du verstehst, was ich meine —
was war los mit ihm? Er hasste leere Phrasen! Remis hockte neben Mia auf der Stufe und starrte ihn mit einmaligem Einfaltsblick an. Schnell wandte Grim sich ab. »Das Wichtigste ist, dass du von vornherein weißt, dass du es kannst«, fuhr er fort. »Du darfst gar nicht daran zweifeln. Sonst kannst du es genauso gut gleich sein lassen. Du musst dir genau vorstellen, was passieren wird — und dann
wird
es passieren.«
    Mia seufzte resigniert. »Du klingst wie Theryon. Er hat mir etwas Ähnliches gesagt, und du siehst, wie weit mich das gebracht hat.
Du musst sehen, was geschieht, ehe es passiert.
Blablabla. Dieses ganze Gerede über Phantasie ... Ich hätte mir gleich denken können, dass das Blödsinn ist. Als könnte man die Welt aus den Angeln heben, nur weil man etwas unbedingt will. Das sind doch alles nur Gedanken.«
    Grim spürte, wie ihm ihre Worte einen Schauer über den Rücken schickten. »Es gibt nichts Schlimmeres«, sagte er leise, »als über Gedanken zu sagen, dass sie nichts als Gedanken seien. Die Gedanken sind die einzige Freiheit des Menschen.«
    Sie sah ihn an, regungslos und mit diesem wachsamen, durchdringenden Blick, mit dem sie auch damals gegen die Finsternis des Fensters geschaut hatte, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte die Klaue ausgestreckt und ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen, die sich nass vom Regen an ihre Wange schmiegte. Schnell wandte er sich ab.
    »Du kannst das sagen, weil du kein Mensch bist«, sagte sie. »Aber kennst du nicht dieses Gefühl — zu fallen und auf den Aufprall zu warten, der nicht kommt?«
    Er hob leicht die Schultern. »Ich falle nicht«, sagte er. »Ich

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