Grim - Das Siegel des Feuers
alles, was ihm wichtig gewesen war und was er geliebt hatte, zurückgelassen. Und Lucas — hätte er nicht gerettet werden können, wenn er von der Existenz des Zepters gewusst hätte und von der Möglichkeit, die Menschen sehend zu machen? Dann hätte er ihnen nicht heimlich ein Einhorn zeigen müssen — sie hätten selbst gewusst, dass es existierte. In einer vereinten Welt würden alle Menschen sehen, wie die Welt wirklich war. Für einen Moment glitt ein Lächeln über ihr Gesicht, doch es verschwand so schnell, wie es gekommen war. Den Zauber des Vergessens zu brechen — das würden die Gargoyles niemals zulassen.
Grims Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Deswegen ist Seraphin also hinter der Karte her«, murmelte er. »Es gibt keine mächtigeren Artefakte auf dieser Welt als die beiden Zepter. Nur mit dem Zepter der Menschen — dem einzigen Artefakt, das dem Zepter der Gargoyles ebenbürtig ist — könnte man Seraphin bezwingen.«
Mia hob die Achseln. »Seraphin will die Karte, er will das Zepter. Wir können entweder hier sitzen und zusehen, wie er die Menschheit und die Gargoyles versklavt, oder wir können ihn daran hindern.«
Da stieß Grim die Luft aus. »Und wie bitte willst du das tun? Seraphin hat einen Orden aus Schwarzmagiern hinter sich, die alle auf höhere Magie zugreifen, und er hat das Zepter der Gargoyles, das seine Macht noch zusätzlich verstärkt. Und was haben wir? Eine vage Aussicht auf das Menschenzepter — mehr nicht. Du bist nicht einmal magisch ausgebildet und willst gegen einen Schwarzmagier inklusive Orden antreten, der sein ganzes Leben lang nichts anderes gemacht hat, als sich böse Zauber auszudenken?«
Mia wollte gerade etwas erwidern, als Theryon das Wort ergriff.
»Das Zepter der Menschen könnte die Kraft des Gargoylezepters neutralisieren«, sagte er leise. »Doch in der Tat würdet ihr gegen Seraphin und seinen Orden dennoch kaum bestehen können.«
Grim nickte düster, doch Theryon war noch nicht fertig.
»Die Schwarzmagier gewinnen ihre Stärke zum einen durch ihren Bund — indem sie sich gegenseitig ihre magischen Kräfte zur Verfügung stellen — und zum anderen durch die höhere Magie. Auf diese können sie jedoch nur zugreifen, wenn sie mit der Schwarzen Flamme verbunden sind. Mit dem Zepter der Menschen könnte es gelingen, Seraphin zu isolieren — ihn sowohl von seinem Orden als auch von der Schwarzen Flamme zu trennen. Anschließend würdet ihr die Kraft des Gargoylezepters mit dem Menschenzepter neutralisieren.«
Mia sah, wie ein Lächeln über Grims Gesicht flog.
»Dann hätte Seraphin nur noch seine eigene Kraft zur Verfügung«, murmelte er. »Das würde einen Kampf Gargoyle gegen Hybrid bedeuten — mit nichts als den Fähigkeiten, die uns von Natur aus gegeben sind. Ich bezweifle, dass er ohne seine Anhänger und ohne das Zepter stärker ist als ich. Bisher war kein gewöhnlicher Gargoyle stärker als ich — und auch kein Hybrid.« Er holte tief Atem. »Und das Pergament da führt uns also zum Zepter der Menschen, ja?«
Mia nickte. »Es wird ein Ritual beschrieben, um ein Portal zu dem Ort zu öffnen, wo es zu finden ist.«
Grim wartete einen Moment, bis er merkte, dass sie ihn auf die Folter spannte. Er verdrehte die Augen. »Und was soll das für ein Ort sein?«
Mia warf einen Blick auf die goldenen Zeichen. »Er heißt ... der Riss der Vrataten.«
Remis stöhnte laut auf. »Ihr seid wahnsinnig, wenn ihr dorthin reist«, sagte er mit merkwürdig heller Stimme. Seine Augen waren so weit aufgerissen, dass er für einen Moment verteufelte Ähnlichkeit hatte mit einem Lemuren. »Finsternis. Flammen. Der Himmel brennt über den Ebenen der Verdammnis, und die Schreie der Toten hallen durch jeden Winkel der Schattenwelt. Gerüchte, Sagen, mehr weiß ich nicht davon. Denn eines steht fest: Niemand kehrt wieder, der einmal hineingerät in den Riss der Verbannten.«
Mia zog die Schultern an. Auf einmal war ihr kalt.
»Na großartig«, sagte Grim nach einer Weile. »Ein Ort ohne Wiederkehr, der schrecklichste Platz, den man sich vorstellen kann — natürlich. Wo hätte es auch sonst sein sollen.« Er saß eine Weile regungslos. Dann glitt ein Lächeln über seine Lippen. »Worauf warten wir noch?«
Kapitel 43
ein Leben war das Letzte. Grim hatte die Brauen so fest zusammengezogen, dass er Kopfschmerzen bekam. Verfluchter Mist! War es nicht genug, dass er — krank, wie er war — die Aussicht hatte, an den schrecklichsten Ort der Welt zu
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