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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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fliege.«
    Eine Weile war es still. Grim starrte in den Regen, ohne ihn zu sehen. Worte lagen ihm auf der Zunge — Worte, die er Mia längst hätte sagen sollen. Aber es war ihm immer gelungen, diese Worte wegzuwischen mit einem spöttischen Lachen, einem abfälligen Blick — bis jetzt. Entschlossen hob er den Kopf und sah Mia an. Das Grün ihrer Augen umtoste ihn wie ein Sturm.
    »Du hast von Gedanken gesprochen«, sagte er leise, doch seine Stimme war so klar, dass sie den Regen verstummen ließ. »Du glaubst nicht an ihre Macht. Aber ich, Mia ... ich kenne die Menschen. Ich beobachte sie seit Jahrhunderten, bewahre sie vor der Dunkelheit, riskiere mein Leben für sie. Oft wurde ich dafür von meinesgleichen belächelt und verspottet. Und die Gargoyles haben nicht ganz unrecht: Viele Menschen sind tatsächlich schwach und feige, ignorant und engstirnig, ohne Rückgrat und was es sonst noch Verachtenswertes über dein Volk zu sagen gibt. Aber gleichzeitig verfügen die Menschen über etwas, das mich, ein Wesen der Dunkelheit, seit jeher angezogen hat. Es ist ein Licht, Mia, strahlender, als ich mir die Sonne denken kann. Es ist nicht mehr als ein Gedanke. Und doch hat es Menschen dazu gebracht, für ihre Freiheit zu kämpfen und dafür zu sterben, mit bloßen Fäusten gegen Panzer in den Krieg zu ziehen und an den Betten sterbender Kinder zu wachen, um sie nicht allein zu lassen in der Finsternis. Der Gedanke, von dem ich spreche, ist die Hoffnung. Sie wohnte in deinem Bruder, und sie lebt auch in dir. Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben, ganz gleich, was geschieht, sind etwas ganz Besonderes — sie sind das Licht in der Dunkelheit. Sie sind es, die die Welt verändern können. Wie Jakob bist auch du fähig, das Licht der Hoffnung weiterzugeben — andere Wesen mit ihrem Feuer zu entzünden.«
    Mia schüttelte traurig den Kopf. »Jakob konnte das — da hast du recht. Aber ich? Nein. Ich bin noch nie ein Licht gewesen, für niemanden.«
    »Du weißt so wenig, Menschenkind«, erwiderte Grim und räusperte sich schnell, um den sanften Ton aus seiner Stimme zu vertreiben. »Jakob hat an dich geglaubt, oder etwa nicht? Und er ist nicht der Einzige.«
    Mia stieß ein spöttisches Lachen aus. »Ach nein? Wer denn noch?«
    Grim holte tief Atem. Verflucht, warum fiel ihm ein so winziges Wort auf einmal so schwer?
    »Ich«, sagte er leise. Mia sah ihn so überrascht an, dass er lächeln musste. »Du hast mehr Macht, als du ahnst«, fuhr er fort. »Du hast etwas in mir berührt, von dem ich lange Zeit nicht mehr wusste, dass es da war.« Er sah sie eindringlich an. »Ich will nie wieder hören, dass du nicht an dich glaubst.«
    Mia erwiderte seinen Blick. Er konnte nicht erahnen, was sie dachte. Und dann, ganz plötzlich, streckte sie die Hand aus und legte sie auf seine Klaue. Zart wie eine Figur aus hellem Wachs lag sie auf seiner dunklen Steinhaut, und er brachte es nicht fertig, sich abzuwenden.
    »Magie«, raunte er. Dann wurde ihm bewusst, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Abrupt hob er den Kopf und räusperte sich verlegen. »Magie ist ... etwas Besonderes«, fuhr er fort. »Sie ist eine Gabe, die nicht zu jedem kommt, und schon gar nicht zu euch Menschen. Du verfügst über sie.«
    »Ja«, erwiderte Mia leise. »Für dich ist das vielleicht was ganz Tolles. Aber für mich ... Auf einmal muss ich mit Magie umgehen, mit Kobolden und Gargoyles und einer Welt der Verdammten. Dieser Riss ... Er ist ...«
    »Du hast Angst«, stellte Grim fest. Er hatte es geahnt. Seufzend holte er Atem und sah sie so streng an, wie er konnte. »Aber darum geht es nicht. Du hast dich entschieden, nicht wahr? Du hast deinen Weg gewählt, und du hast dich dazu entschlossen, ihn zu gehen. Jetzt darfst du nicht zögern. Hör auf zu zweifeln, hör auf, Angst zu haben. Du wirst jetzt dieses Portal öffnen — weil du es kannst.«
    Da lächelte sie. Für einen Moment spürte er nicht mehr den Regen auf seiner Haut. Es war ein Gefühl wie der Duft der Sterne auf sonnenwarmen Dächern.
    Da schwirrte ein grünes Licht in Grims Blickfeld. Remis sah ihn mit hochgezogener Braue an.
    »Scheint fast so, als seist du unter die Motivationsgurus gegangen«, meinte der Kobold. »Wenn du jetzt auch noch ›Tschakaa, du schaffst es‹ sagst, muss ich mich übergeben.«
    Grim warf ihm einen wütenden Blick zu, aber Mia lachte und kam auf die Beine. Schweigend ging sie die Stufe entlang, holte tief Atem und begann noch einmal mit dem

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