Grim - Das Siegel des Feuers
wurde so blass, dass er für einen Moment glaubte, sie würde sich übergeben. Zum Glück presste sie sich dann doch nur die Hand vor den Mund. Remis hingegen atmete schwer und zählte leise vor sich hin. Pedro war wie üblich vollkommen unbeeindruckt. Zielstrebig watete er durch den Schlamm, bis er knietief darin versunken war. Dann beugte er sich vor, grub beide Hände in den Matsch — und schlug ihn sich ins Gesicht.
Remis klappte die Kinnlade hinunter. »Ekelhaft«, flüsterte er mit einer Mischung aus würgendem Übelkeitsgeräusch und Sensationsgier.
Pedro wandte sich um. Sein Gesicht war braun von stinkendem Schlamm, und seine blauen Augen schauten stechend zu ihnen herüber. »Ich würde euch nicht raten, momentan überhaupt zum Pantheon zu gehen«, sagte er, während er seinen Mantel ebenfalls mit dem Schleim einrieb. »Ihr werdet diesen Gang höchstwahrscheinlich mit eurem Leben bezahlen. Aber wenn ihr wenigstens eine winzige Chance haben und nicht sofort bei lebendigem Leib gefressen werden wollt, müsst ihr euch damit einreiben. Ihr habt die Moskitos gesehen. Sie haben Zähne — und sie fressen Fleisch.«
Grim wollte lachen, aber Mia ging schon auf den Schlamm zu, und auch Remis konnte es scheinbar gar nicht erwarten, sich mitten hinein zu stürzen. Grim schüttelte den Kopf.
»Jeder hat seine Grenzen«, murmelte er, während er ihnen folgte. »Und meine liegt eindeutig bei Scheiße im Gesicht.«
Er bohrte einen Finger in den Schlamm und besprenkelte seinen Mantel. Mehr ließ sein Geruchssinn nicht zu. Er rechnete fest damit, dass Pedro etwas dazu sagen würde — aber der Alte musterte ihn nur mit dieser undurchsichtigen Miene und machte sich auf den Rückweg. Mia und Remis sahen aus, als wären sie kopfüber in die Kloake gefallen.
»So könntet ihr bei Schönheitswettbewerben antreten«, sagte Grim grinsend. »Vielleicht sollte ich ein Foto machen und noch eins von dem Fluss, in dem ihr ...« Er warf einen Blick auf die gurgelnde Brühe — und erstarrte. Das dunkle Wasser hatte sich blutrot verfärbt, und da, als fleischige Bündel, trieben mehrere menschliche Körper. Ihre Haut war schwarz, aber Grim konnte nicht erkennen, ob sie verkohlt oder von Natur aus so gewesen war. Angewidert sah er, dass die Menschen bei lebendigem Leib gefressen worden waren. Große Fleischstücke fehlten in ihren Armen und Beinen, und ihre Augen waren aus dem Kopf gerissen worden. Grim wich zurück, als er zwei Kinderleichen sah.
»Was, zur Hölle, ist hier los?« Er sah Pedro an, doch der schaute auf die Leichen, als wäre das vollkommen normal.
»Die Drudenkönigin hat eines ihrer Feste gefeiert«, sagte er knapp. Dann wandte er sich um.
Grim eilte ihm nach und wäre auf dem schlammigen Grund fast ausgerutscht. »Es wird Zeit, dass du mit der Wahrheit rausrückst«, sagte er wütend. »Was hast du hier zu suchen? Wer ist diese Königin, die Menschen frisst? Und wieso leben die hier überhaupt — Menschen?«
Pedro blieb nicht stehen. Mit schnellen Schritten eilte er die Via dei Balestrari hinab und schaute wachsam von rechts nach links. »Dies ist ein Ort der Verdammten«, sagte er ruhig. »Hast du etwa geglaubt, nur Dämonen und Geister würden hier hausen? Nein, mein Freund — hier herrscht Verbannung, und die schert sich nicht um Volk und Geschlecht. Menschen leben hier, einige in Horden, andere in Familienstämmen unter der Erde. Sie sind bevorzugte Beute der ... nun, von Königin Ontorya. Niemand redet über sie. Es heißt, sie würde jeden finden, der ihren Namen ausspricht.«
Grim hielt inne. »Du hast ihn ausgesprochen.«
Da lächelte Pedro, ohne stehen zu bleiben. »Und nicht nur einmal hat sie mich gefunden. Und sie hat mich gefangen genommen. Aber es ist ihr nie lange gelungen.«
Grim sah sich nach Mia und Remis um, die hinter ihnen herliefen, dann folgte er ihm. »Was tust du hier?«
Pedro sah auf den Weg, auf die Häuser, in den Himmel. Grim schien es, als wäre jeder Anblick interessanter als sein Gesicht. Kaum hatte er das gedacht, blieb Pedro stehen und legte die Hand auf seine Schulter. Sie war schwerer, als Grim erwartet hatte, und eiskalt — die Hand eines Toten. »Aus Buße«, erwiderte Pedro tonlos. »Mein Leben ist Blut- und Irrfahrt gewesen, und kein Tod, kein Leiden in jener Welt jenseits dieser Hölle wäre dem gleichgekommen, was ich verbrochen habe. Hier ist die Welt der Albträume — der Kern der Schlechtigkeit und des Bösen. Hier gehöre ich hin. Ich ...«
Ehe Grim
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